Die Frage nach der maximal erreichbaren menschlichen Lebensspanne beschäftigt die Menschheit seit jeher. Während die durchschnittliche Lebenserwartung in den letzten 150 Jahren deutlich gestiegen ist – von etwa 36 Jahren für Männer im Jahr 1871 auf 78,5 Jahre im Jahr 2021, und von 38,5 auf 83,4 Jahre bei Frauen im gleichen Zeitraum – bleibt die Frage nach der oberen Grenze offen. Eine Studie der University of Georgia, die die Sterblichkeit älterer Menschen in 19 Industrienationen analysierte, prognostiziert, dass Menschen, die zwischen 1910 und 1950 geboren wurden, durchaus 120 Jahre oder älter werden könnten. Wie der Wirtschaftswissenschaftler David McCarthy von der University of Georgia laut MDR Wissen betont, „können die Langlebigkeitsrekorde erheblich zunehmen“. Diese Entwicklung wirft jedoch auch neue Fragen auf: Wo liegen die Grenzen des Alterns und mit welchen gesellschaftlichen Konsequenzen müssen wir rechnen?
Trotz steigender Lebenserwartung gibt es natürliche Grenzen unserer Lebensspanne. Eine 2021 veröffentlichte Studie, die von Timothy Pyrkov und Kollegen durchgeführt wurde, untersuchte die biologische Resilienz – die Fähigkeit des Körpers, sich von Krankheiten, Stress oder Verletzungen zu erholen. Die Ergebnisse zeigten, dass diese Resilienz mit zunehmendem Alter abnimmt und ab einem Alter von 120 bis 150 Jahren quasi nicht mehr vorhanden wäre. Der Alternsforscher James V. Vaupel sah jedoch in der Evolution die Möglichkeit einer schrittweisen Verbesserung unseres Reparatursystems. Er spekulierte, dass eine Umleitung von überschüssiger Energie, die normalerweise in Fettspeichern landet, in das Reparatursystem, die Lebensspanne verlängern könnte.
Die steigende Lebenserwartung bringt auch gesellschaftliche Herausforderungen mit sich. Das Statistische Bundesamt prognostiziert, dass im Jahr 2055 6,8 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein werden – 1,8 Millionen mehr als heute. Gleichzeitig wird die Zahl der Rentenempfänger steigen, während die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. Als mögliche Lösung wird ein höheres Renteneintrittsalter diskutiert. Die OECD geht laut SWR davon aus, dass Menschen, die im Jahr 2020 22 Jahre alt waren, in Ländern wie Dänemark, Estland und Italien erst mit 71 bis 74 Jahren in Rente gehen werden.
Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Krankheiten und kognitive Einschränkungen. Auch die Suizidrate, insbesondere bei Männern, nimmt im Alter zu. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Medikamenten, was Neben- und Wechselwirkungen begünstigen kann. Einsamkeit ist ein weiteres Problem, das ältere Menschen betrifft. Der Verlust von Bezugspersonen, eingeschränkte Mobilität und Altersarmut können zu sozialer Isolation führen, die wiederum Stress, Depressionen und eine Schwächung des Immunsystems verursachen kann.
Die Alternsforschung arbeitet intensiv an Strategien für ein längeres und gesünderes Leben. Verschiedene Ansätze, wie Medikamente, Blutplasma-Austausch und Stammzelltherapien, werden erforscht. Tierversuche haben gezeigt, dass die Lebensspanne von Mäusen, Fadenwürmern und Fruchtfliegen verlängert werden kann. Die Wissenschaftler hoffen, diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragen zu können. Neben diesen medizinischen Ansätzen gibt es auch alltagstaugliche Maßnahmen, die zu einem längeren Leben beitragen können. Dazu gehören regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, Verzicht auf Nikotin und Alkohol sowie ausreichend Schlaf. Studien haben gezeigt, dass bereits elf Minuten Bewegung pro Tag das Risiko eines vorzeitigen Todes senken können. Auch eine gesunde Ernährung spielt eine wichtige Rolle, wie die hohe Lebenserwartung der Bevölkerung auf der japanischen Insel Okinawa zeigt. Dort erreichen etwa 34 von 100.000 Einwohnern das 100. Lebensjahr, verglichen mit sieben von 100.000 in Deutschland. Wie der Anti-Aging-Mediziner Prof. Dr. Bernd Kleine-Gunk im SWR Interview betont, ist ein gesunder Lebensstil die Basis für ein langes Leben.
Quellen: