Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) beobachtet eine zunehmende Radikalisierung und Verhärtung der Gesellschaft. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, beschloss die Synode der EKM in Erfurt, dass „Demokratiefeindlichkeit, Menschenverachtung und Ausgrenzung unser Zusammenleben vergiften“. Die zunehmende Polarisierung betreffe alle gesellschaftlichen Bereiche, einschließlich Familien, Freundeskreise und Gemeinden. Laut dpa Sachsen fürchten viele Menschen Diffamierung und Gewalt und ziehen sich daher aus zivilgesellschaftlichen Debatten zurück. Im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl betont die EKM die zentrale Bedeutung der unantastbaren Würde des Menschen (Zeit Online, 23.11.2024).
Die EKM zählt rund 638.000 Mitglieder in über 3.000 Kirchengemeinden und 37 Kirchenkreisen, hauptsächlich in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die Synode, bestehend aus ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitgliedern, legt die Arbeitsschwerpunkte der Landeskirche fest. Neben der gesellschaftlichen Radikalisierung befasste sich die Synode auch mit der Weiterentwicklung der Seelsorge. In der EKM sind etwa 800 hauptamtliche Seelsorger in Gemeinden tätig, zusätzlich engagieren sich rund 295 Personen ehrenamtlich und hauptamtlich in der Telefonseelsorge. Weitere 1.000 Haupt- und Ehrenamtliche leisten Seelsorge in Krankenhäusern, bei Polizei, Bundeswehr und in Gefängnissen (Stern, 23.11.2024).
Das Thema Radikalisierung im Namen der Religion wurde auch auf einem Symposion der "Gesellschaft für Freikirchliche Theologie und Publizistik" diskutiert. Professor Reinhold Bernhardt betonte dort, dass Religion nicht die Ursache von Gewalt sei, sondern instrumentalisiert werden könne, um Konflikte zu verschärfen. Er verwies auf die Radikalisierung Ende der 1970er Jahre, als verschiedene religiöse Bewegungen politische und gesellschaftliche Gestaltungsansprüche erhoben (Ökumene ACK).
Der Soziologe Steffen Mau beobachtet ebenfalls eine Radikalisierung, insbesondere am rechten Rand, die bis in die Mitte der Gesellschaft hineinreiche. Er sieht einen Zusammenhang mit der zunehmenden Verunsicherung der Menschen angesichts von gesellschaftlichen Veränderungen. Mau warnt vor einer Entzivilisierung der Konfliktaustragung und empfiehlt eine Versachlichung der Debatten (Domradio, 14.01.2024).
Auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck beklagte eine Radikalisierung in „reaktionären Kreisen“ innerhalb der Kirche. Er berichtete von persönlichen Anfeindungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Synodalen Weg. Overbeck sieht den Hass als Folge eines massiven gesellschaftlichen Umbruchs, der viele Menschen verunsichere (CNA Deutsch, 11.01.2024).
Michael Blume analysiert in der Herder Korrespondenz die zunehmende Verschränkung von antimuslimischer Rhetorik und Antisemitismus. Er sieht die Gefahr, dass die Deutsche Islamkonferenz zu einer Bühne für die Selbstdarstellung extremer Positionen wird (Herder Korrespondenz).
Das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz (HLZ) definiert Islamismus als eine religiös begründete Ideologie, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar ist. Das HLZ betont, dass Islamismus nicht mit dem Islam gleichzusetzen ist und Muslime nicht per se unter Radikalitätsverdacht stehen. Das HLZ weist auch auf die Schwierigkeit hin, zwischen Extremismus und grundgesetzlich geschützter Religiosität zu unterscheiden (HLZ Hessen).