September 29, 2024
FPÖ erreicht Rekordzuwächse bei Nationalratswahl in Österreich

In Österreich hat die rechte Partei FPÖ bei der Nationalratswahl am Sonntag die größten Stimmenzuwächse verzeichnet und könnte Hochrechnungen zufolge erstmals stärkste Kraft im Parlament in Wien werden. Wie die FAZ berichtet, erhielt die Partei des früheren Innenministers Herbert Kickl laut der Hochrechnung des ORF 29 Prozent der Stimmen. Gegenüber der vorigen Wahl von 2019 (16,2 Prozent) bedeutet das ein Plus von etwa 13 Prozentpunkten.

Die bisherige Kanzlerpartei ÖVP erlitt schwere Einbußen und erhielt nach den ersten Zahlen 26,3 Prozent, (2019: 37,5 Prozent). Dennoch dürfte Bundeskanzler Karl Nehammer versuchen, auch künftig eine Koalition anzuführen, denn alle anderen Parteien haben ein Bündnis mit der FPÖ ausgeschlossen. Nehammer sagte am frühen Abend vor Anhängern: „Es war eine Aufholjagd, aber wir haben es nicht geschafft.“

ÖVP und Grüne deutlich abgestraft

An dritter Stelle trat die sozialdemokratische SPÖ auf der Stelle. Sie erhielt laut Hochrechnung 21 Prozent und blieb damit noch knapp unter dem Niveau ihres bislang schlechtesten Ergebnisses 2019 (21,2 Prozent). Die liberalen Neos erhielten voraussichtlich 9,1 Prozent (2019: 8,1 Prozent) und hoffen, erstmals für eine Regierungsbildung gebraucht zu werden. Die Grünen mussten gegenüber ihrem Rekordergebnis vor fünf Jahren von 13,9 Prozent ein kräftiges Minus hinnehmen und erhielten nach den Hochrechnungen 8,3 Prozent.

So gut wie ausgeschlossen ist laut den Hochrechnungen, dass die Satirepartei Bierpartei oder die kommunistische KPÖ die Vier-Prozent-Hürde überschreiten. Zur Hochrechnung um 19.30 Uhr waren mehr als 80 Prozent der Stimmen ausgezählt. Die Schwankungsbreite betrug noch plus/minus 0,7 Prozentpunkte. Ein vorläufiges Endergebnis wird am späten Sonntagabend erwartet.

ÖVP und Grüne wurden somit von den Wählern nach vier Jahren gemeinsamer Regierung deutlich bestraft. Die beiden bisherigen Koalitionäre hätten keine Mehrheit mehr im Parlament – sie haben zuletzt auch nicht mehr den Eindruck erweckt, dass sie weiter miteinander regieren wollen. Zu Beginn der Regierungszeit war noch Sebastian Kurz der ÖVP-Vorsitzende und Bundeskanzler. Er musste – nicht zuletzt auf Druck der Grünen – wegen einer Chat- und Inseratenaffäre 2021 zurücktreten. Ihm folgte kurzzeitig Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) im Kanzleramt, ehe nach weiteren Turbulenzen Karl Nehammer übernahm, der bis dahin Innenminister war.

Die FPÖ, die mit der ÖVP unter Kurz 2017 bis 2019 regiert hatte, hat während der Pandemie die Corona-Maßnahmen der Regierung fundamental angegriffen. Auch die Themen Migration und Wirtschaftskrise haben der rechten Partei unter Kickl viele Proteststimmen beschert, die ihr nach der Ibiza-Affäre des damaligen FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache abhandengekommen waren. Dass Kickl nun eine Regierung bilden kann, ist dennoch äußerst ungewiss. Alle anderen Parteien haben im Wahlkampf ausgeschlossen, mit ihm zu koalieren. Allein die ÖVP hatte offen gelassen, mit einer FPÖ ohne Kickl zu regieren. Doch hat Kickl seinerseits kategorisch ausgeschlossen, sich bei einem eigenen Wahlerfolg zurückzuziehen, um eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu ermöglichen. Das wäre „Wählerbetrug“ sagte er.

FPÖ fordert Nehammers Rücktritt

Auch wenn ÖVP und FPÖ zusammen eine deutliche Mehrheit im Nationalrat erhalten könnten, bekräftigte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnung die Absage an Kickl. „Das war gestern so, das ist heute so, und das wird auch morgen so sein“, sagte Stocker im ORF. Auch Kanzler Nehammer bekräftigte die vor der Wahl getroffenen Ankündigung. Es sei nun die Aufgabe für die Zukunft, „genau hinzuschauen und zu sehen, warum Radikalisierte mehr Stimmen bekommen als wir, die Kraft der Mitte“. Es gelte, Probleme zu lösen und nicht von diesen zu leben, so Nehammer.

FPÖ-Chef Herbert Kickl zeigte sich in einer ersten Fernsehrunde der Spitzenkandidaten nach Schließung der Wahllokale hochzufrieden. „Der Wähler hat heute ein Machtwort gesprochen“, sagte der Parteivorsitzende. Das Ergebnis sei eine klare Botschaft, dass es so nicht weitergehen könne im Land. „Wir sind bereit, eine Regierung zu führen“, sagte Kickl. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker forderte zuvor den Rücktritt von Kanzler Nehammer. „Wenn man eine so historische Niederlage eingefahren hat, dann gibt es eigentlich nur eine Konsequenz“, sagte Hafenecker der Austria-Presse-Agentur.

Enttäuscht vom Wahlergebnis hat sich nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnungen SPÖ-Generalsekretär Klaus Seltenheim gezeigt. „Es ist ein schwarzer Tag für die Demokratie“, weil die FPÖ stärkste Partei geworden sei, sagte Seltenheim in Wien. Ziel sei es nun, eine schwarz-blaue Bundesregierung zu verhindern, so der Bundesparteichef. SPÖ-Chef Andreas Babler antwortete im ORF auf die Frage nach seinem Verbleib an der Parteispitze: „Danke für die direkte Frage, ich werde sie so nicht beantworten.“ Unklar blieb am frühen Abend, ob im ÖVP und SPÖ zusammen eine knappe Mehrheit im Nationalrat erhalten oder ob es im die Falle einer Regierungsbildung ohne die FPÖ einen dritten Koalitionspartner (Neos oder Grüne) braucht.

Erstmals werden in Österreich schon am Wahltag auch die Briefwahlstimmen zum größten Teil ausgezählt. Für die Briefwahl wurde die Rekordzahl von mehr als 1,4 Millionen Wahlkarten ausgegeben. Damit hat fast ein Viertel der Wahlberechtigten schon vorab die Stimme abgegeben. Es wird nach den ersten Hochrechnungen mit einer hohen Wahlbeteiligung von etwa 78 Prozent gerechnet. An der vorigen Nationalratswahl am 29. September 2019 nahmen 75,6 Prozent der Wahlbeteiligten teil.

Laut einer Umfrage des Linzer Market-Instituts, die in der Zeitung "Der Standard" veröffentlicht wurde, lag die FPÖ mit 27 Prozent nur knapp vor der ÖVP (25 Prozent), aber deutlich vor der SPÖ (20 Prozent).

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