September 27, 2024
Der geschlechtsspezifische Wahlanstieg: Ursachen und Trends im politischen Spektrum

Der politische Gender-Gap: Warum wählen Frauen eher links und Männer eher rechts?

Dass Männer und Frauen unterschiedliche politische Präferenzen haben, ist nicht neu. Doch in den letzten Jahren hat sich ein Trend verstärkt: Junge Frauen wählen immer häufiger links, während junge Männer sich eher konservativen Parteien zuwenden. Dieser sogenannte „Gender-Gap“ ist in vielen westlichen Demokratien zu beobachten, auch in Deutschland. Im F.A.Z. Podcast für Deutschland vom 27.09.2024 diskutieren Experten die Gründe für diese Entwicklung.

Der Wandel des Gender-Gaps

Tatsächlich war es bis in die 1980er Jahre hinein eher umgekehrt: Frauen wählten konservativer als Männer. Der Soziologe Ansgar Hudde von der Universität Köln hat das Wahlverhalten nach Geschlecht in Deutschland seit den 1950er Jahren untersucht. Seine Analysen zeigen, dass sich das Verhältnis ab 1980 umkehrte und Frauen zunehmend linke Parteien bevorzugten. Dieser Trend, der als „Modern Gender Gap“ bezeichnet wird, ist laut Hudde seit 2017 besonders deutlich erkennbar.

Die Rolle von Bildung, Beruf und Familie

Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für diese Entwicklung. Ein wichtiger Faktor ist die veränderte Rolle der Frau in der Gesellschaft. Frauen sind heute besser ausgebildet, berufstätiger und finanziell unabhängiger als früher. Damit einher geht ein stärkeres Interesse an Themen wie Gleichberechtigung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie sozialer Gerechtigkeit – Themen, die traditionell eher von linken Parteien vertreten werden.

Zudem hat sich auch die Familienstruktur gewandelt. Ehen sind heute weniger stabil, und es gibt mehr Alleinerziehende – in den meisten Fällen Frauen. Diese sind stärker auf staatliche Unterstützung angewiesen und wählen daher eher Parteien, die einen Ausbau des Sozialstaates versprechen.

Unterschiedliche Prioritäten bei jungen Menschen

Besonders ausgeprägt ist der Gender-Gap bei den 18- bis 24-Jährigen. Laut einer Datenanalyse des ZDF wählten junge Frauen bei der Bundestagswahl 2021 mit 28 Prozent am häufigsten die Grünen, während die FDP mit 26 Prozent die meisten Stimmen bei den jungen Männern erzielte.

Der Politikwissenschaftler Ansgar Hudde erklärt diesen Unterschied unter anderem mit den unterschiedlichen Lebensrealitäten junger Männer und Frauen. So spielten für junge Frauen Themen wie Umweltschutz und Gleichstellung eine wichtigere Rolle, während junge Männer eher von Themen wie bezahlbaren Spritpreisen angesprochen würden.

Die Bedeutung von Gleichstellung und Feminismus

Auch die #MeToo-Bewegung und die damit verbundene Debatte um sexuelle Belästigung und Diskriminierung von Frauen haben den Gender-Gap verstärkt. Frauen sind sensibler für diese Themen geworden und wählen eher Parteien, die sich für Gleichstellung und gegen Sexismus einsetzen.

Die Ansprache der Parteien

Die Parteien haben den Gender-Gap erkannt und versuchen, ihre Politik und Kommunikation entsprechend auszurichten. So setzen linke Parteien verstärkt auf Themen wie Gleichstellung, Feminismus und soziale Gerechtigkeit, um weibliche Wähler anzusprechen. Konservative Parteien hingegen versuchen, mit Themen wie Sicherheit, Ordnung und Tradition vor allem männliche Wähler zu gewinnen.

Fazit

Der politische Gender-Gap ist ein komplexes Phänomen mit vielschichtigen Ursachen. Neben den genannten Faktoren spielen auch individuelle Lebensentwürfe, Wertvorstellungen und politische Sozialisation eine Rolle. Fest steht: Der Gender-Gap ist real und wird die politische Landschaft in Deutschland und anderen westlichen Demokratien auch in Zukunft prägen.

Quellen

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