Der ehemalige Linken-Politiker Gregor Gysi plant gemeinsam mit Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow, über Direktmandate bei der Bundestagswahl 2025 anzutreten, um die Linke vor dem Ausscheiden aus dem Bundestag zu bewahren. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) vom 30.11.2024 analysiert Gysi die Lage seiner Partei, die Rolle von Sahra Wagenknecht und die notwendigen strategischen Anpassungen.
Gysi unterstreicht die Wichtigkeit linker Perspektiven im Parlament, insbesondere angesichts des Aufstiegs der AfD. Er kritisiert die ungleiche mediale Behandlung der Linken im Vergleich zu Grünen und FDP. Die Kandidatur der drei erfahrenen Politiker, von Gysi als „Mission Silberlocke“ bezeichnet, soll der Partei neuen Auftrieb geben. Der vorherige Parteitag habe sich laut Gysi zu sehr mit internen Streitigkeiten aufgehalten, anstatt die existenzbedrohende Lage der Partei zu adressieren. Für die übernächste Bundestagswahl 2029 schließt Gysi eine eigene Kandidatur aus.
Auf den Vorwurf, die drei erfahrenen Kandidaten würden nur antreten, weil sie der Parteispitze misstrauten, entgegnet Gysi, dass sie zwar Vertrauen in die neue Führung hätten, diese aber möglicherweise Unterstützung benötige. Die Bekanntheit der „alten Garde“ solle den Spitzenkandidaten Jan van Aken und Heidi Reichinnek zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Gysi verweist auf seinen eigenen Wahlerfolg in Treptow-Köpenick, wo er seit 1990 stets direkt gewählt wurde. Ähnliche Erfolge erwartet er für Ramelow in Erfurt und Bartsch in Rostock, sowie für Ines Schwerdtner in Berlin-Lichtenberg und Sören Pellmann in Leipzig.
Gysi bemängelt die unklare Kommunikation der Linken. Die Partei müsse sich auf sechs Kernthemen fokussieren: Frieden, soziale Gerechtigkeit inklusive Bildungspolitik, Migration, ökologische Nachhaltigkeit mit sozialer Verantwortung, Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die Gleichstellung von Ost und West. Gerade der Osten Deutschlands sei nach der Fusion mit der WASG vernachlässigt worden, was der AfD Auftrieb verschafft habe.
Die Bemühungen der Linken, als Partei für die Anliegen der Bürger wahrgenommen zu werden, sieht Gysi durch die Initiative „Die Linke hilft“ bestärkt. Gleichzeitig kritisiert er das Bundes-Solidaritäts-Werk (BSW), dessen hierarchische Strukturen dem Parteiengesetz widersprächen und das Vertrauen der Wähler, insbesondere der älteren Generation, erschüttert hätten. Viele ältere Wähler seien zu Wagenknecht abgewandert.
Wagenknechts Positionen zur Europa- und Migrationspolitik sieht Gysi nahe an der AfD. Er erinnert an Wagenknechts Vergangenheit als Vorsitzende der Kommunistischen Plattform der PDS und die damit verbundenen Schwierigkeiten. In der Friedensfrage verorte Gysi die Linke in der „vernünftigen Mitte“, die einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende der Waffenlieferungen fordert. Wagenknecht hingegen würde laut Gysi „ihr Russland-Lied singen“ und Putin kaum kritisieren. Gysi wirft Putin imperialistisches Denken vor und unterstellt ihm den Wunsch, die ehemaligen Sowjetrepubliken, abgesehen von den baltischen Staaten, zu beeinflussen. Die Linke setze sich für einen Gewaltverzicht zwischen Russland und Europa einschließlich aller ehemaligen Sowjetrepubliken ein.
Im Gegensatz zu Wagenknecht würde Gysi völkerrechtswidrige Gebietsverluste der Ukraine nicht hinnehmen. Er schlägt einen Waffenstillstand mit Aussetzung der Waffenlieferungen und Friedensverhandlungen vor. Sollte Putin dies ablehnen, würde er indirekt weitere Waffenlieferungen des Westens gutheißen. Auf Wagenknechts Anti-Eliten-Rhetorik angesprochen, betont Gysi, dass die Linke nicht für „Armut für alle“, sondern für „einen gewissen Wohlstand für alle“ eintrete.
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