Die Mystikerin, Universalgelehrte und Komponistin Hildegard von Bingen hat im Rheingau bedeutende Spuren hinterlassen. Eine Wanderung von Geisenheim nach Eibingen führt zu den Stätten ihres Lebens und Wirkens. Entgegen der Annahme befindet sich das Grab der Heiligen nicht in der hochgelegenen Abtei St. Hildegard, sondern in der Pfarrkirche von Rüdesheim-Eibingen, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet. Die Abtei selbst, so die FAZ, ist eine Neugründung aus dem späten 19. Jahrhundert und ersetzt das 1814 aufgelöste Benediktinerinnenkloster.
Die heutige Abtei St. Hildegard wurde 1904 bezogen. Ihr romanischer Baustil erinnert an mittelalterliche Vorbilder. Doppeltürme und eine mit Säulen verzierte Apsis prägen die äußere Gestalt. Im Inneren finden sich jedoch Malereien im Stil der Beuroner Schule und Jugendstil-Ornamente, die auf die tatsächliche Entstehungszeit hinweisen. Die FAZ betont, dass die imposante Abtei keinen direkten Bezug zu Hildegards Leben hat. Sie wurde an einem neuen Ort errichtet, da der ursprüngliche Standort, an dem Hildegard 1165 neben ihrem Kloster Rupertsberg bei Bingen ein weiteres Kloster gründete, nicht mehr verfügbar war.
Hildegards Gebeine ruhen in der Eibinger Pfarrkirche. Nach der Zerstörung von Kloster Rupertsberg gelangten ihre sterblichen Überreste über Mainz und Köln schließlich 1636 nach Eibingen. Die Pfarrkirche, die die Gebeine aufnahm, ist nach einem Brand im Jahr 1932 nicht mehr im Originalzustand. Der Goldschrein, angefertigt 1929 zu Hildegards 750. Todestag, sowie Reliquien einiger Schutzheiliger, konnten gerettet werden. Nach der Neugestaltung der Kirche 1998, anlässlich Hildegards 900. Geburtstag, steht der Schrein nun zentral im Altarraum vor einem deckenhohen Mosaik, das einer Bildtafel aus Hildegards Hauptwerk „Scivias“ nachempfunden ist.
In der Abtei St. Hildegard leben heute 35 Benediktinerinnen, die Hildegards geistiges Erbe pflegen. Wie auf der Webseite der Abtei erläutert, folgen sie Hildegards ganzheitlichem Verständnis von Körper und Geist. Sie betreiben ein Weingut, ein Café, einen Buchladen und ein Gästehaus für spirituelle und kunsthandwerkliche Kurse. Fünfmal täglich wird das Tagewerk der Schwestern durch Gotteslob, Gebet und Gesang unterbrochen. Auch die Webseite der Abtei unterstreicht die zentrale Rolle des Gotteslobes im Leben der Benediktinerinnen.
Die Wanderung beginnt an der Pfarrkirche Heilig Kreuz in Geisenheim, dem „Dom des Rheingaus“. Von dort führt der Weg durch die Weinberge, vorbei am Rothenberg mit Panoramablick, bis nach Marienthal. Weiter geht es über den Klostersteig, vorbei am idyllisch gelegenen Kloster Nothgottes. Schließlich erreicht man die Abtei St. Hildegard und die Eibinger Pfarrkirche mit dem Grab der Heiligen. Die detaillierte Wegbeschreibung findet sich im Artikel der FAZ.
Die Wanderung zu den Wirkungsstätten Hildegards von Bingen bietet nicht nur landschaftliche Reize, sondern auch die Möglichkeit, das geistliche und kulturelle Erbe dieser bedeutenden Frau des Mittelalters zu erkunden.
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