Kemi Badenoch ist die neue Vorsitzende der britischen Konservativen Partei, wie die Tories am Samstag in London bekanntgaben. Die ehemalige Wirtschaftsministerin setzte sich gegen fünf weitere Kandidaten durch, darunter den früheren Migrations-Staatssekretär Robert Jenrick. Damit übernimmt sie die Führung einer Partei, die sich nach der historischen Wahlniederlage im Juli und dem Rücktritt von Ex-Premierminister Rishi Sunak in einer tiefen Krise befindet. Wie die FAZ berichtet, stellt sich die Frage, ob Badenoch die Tories einen und zurück an die Macht führen kann (FAZ, 02.11.2024).
Die 44-jährige Badenoch gilt als Vertreterin des rechten Parteiflügels und als "Frau klarer Worte", wie diverse Medien berichten. Der Tagesspiegel beschreibt sie als eine Politikerin, die "ohne Rücksicht auf Person und Amt" agiere (Tagesspiegel, 02.11.2024). Ihr Aufstieg zur Parteispitze unterstreicht den anhaltenden Rechtsruck der Konservativen, der bereits seit dem Brexit zu beobachten ist. Innerhalb weniger Jahre wechselten fünf Premierminister, die mit den Folgen des EU-Austritts und diversen Skandalen zu kämpfen hatten.
Badenoch steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die Tories stellen nach der Wahlpleite im Juli nur noch 121 von 650 Abgeordneten im Unterhaus. Das Vertrauen der Wähler ist massiv geschwunden. Wie 20 Minuten berichtet, muss Badenoch nun für Stabilität und Geschlossenheit sorgen (20 Minuten, 02.11.2024). Doch Experten sehen den von ihr verkörperten Rechtskurs kritisch. Der Politologe Tim Bale von der Queen Mary University of London erwartet laut dem Tagesanzeiger Forderungen nach weniger staatlicher Einmischung, einen nationalistischen und einwanderungsfeindlichen Ton sowie eine ablehnende Haltung gegenüber Klimaschutzmaßnahmen (Tagesanzeiger, 02.11.2024).
Die in London geborene und in Nigeria aufgewachsene Badenoch ist eine studierte Computerwissenschaftlerin. Sie profilierte sich im Wahlkampf als "Anti-Woke-Kulturkriegerin" und kritisierte das ihrer Meinung nach "linksliberale Establishment". Als ehemalige Gleichstellungsministerin äußerte sie sich kritisch zu Genderfragen und sprach sich gegen eine Erhöhung des Mutterschaftsgeldes aus. Der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster sieht in ihrem Stil Parallelen zu Margaret Thatcher, die bei vielen Tory-Mitgliedern noch immer verehrt wird.
Garnett stellt jedoch die Zukunft der Tories als Volkspartei infrage. Die Wahl im Juli, bei der Labour die Konservativen nach 14 Jahren ablöste, habe gezeigt, dass die meisten Wähler in der politischen Mitte verankert seien. Eine Herausforderung besteht darin, Wähler von der rechtspopulistischen Reform UK zurückzugewinnen. Deren Vorsitzender Nigel Farage, eine Schlüsselfigur des Brexit, hatte den Tories bei der Wahl Stimmen abgenommen. Eine Annäherung an Reform UK birgt jedoch das Risiko, die Unterstützung aus dem Mitte-Rechts-Spektrum zu verlieren und Farages Popularität unbeabsichtigt zu steigern, so Garnett.
Ob Badenoch die große Lücke zu Labour schließen kann, hängt laut Experten weniger von ihr selbst ab als von Premierminister Keir Starmer und dessen Fähigkeit, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu gewinnen, müsse Badenoch aus den Fehlern Labours lernen.
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