Der Haushaltsstreit innerhalb der Ampelkoalition spitzt sich zu. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat mit einem 18-seitigen Grundsatzpapier, das unter anderem Steuererleichterungen für Unternehmen, Einschnitte bei Sozialleistungen und einen Stopp neuer Regulierungen fordert, für erheblichen Wirbel gesorgt. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, drängt die FDP nun auf Zugeständnisse von SPD und Grünen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr warnte die SPD-Spitze davor, den Ernst der Lage zu verkennen. Sollte die SPD sich nicht gesprächsbereit zeigen, so Dürr gegenüber der SZ, gefährde sie den Fortbestand der Koalition.
Lindners Vorstoß stößt bei SPD und Grünen auf breite Ablehnung. SPD-Chefin Saskia Esken erklärte laut Spiegel Online, die Punkte in Lindners Papier seien „in der Koalition nicht zu verwirklichen“. Auch ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil äußerte sich ablehnend. Bei den Grünen ist die Stimmung ähnlich. Dort wird Lindner laut Süddeutscher Zeitung sogar unterstellt, er wolle die Koalition platzen lassen.
Lindner selbst bezeichnet sein Papier als „ernsthaftes Angebot“, wie die Frankfurter Rundschau berichtet. Er setzt auf die Unterstützung der öffentlichen Meinung und verweist auf positive Reaktionen von Wirtschaftsverbänden und Ökonomen wie Clemens Fuest. Auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) lobte Lindners Konzept. Der FDP-Fraktionschef Dürr betonte, es komme nun auf die Bereitschaft der Koalitionspartner an.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich bisher öffentlich nicht zu Lindners Papier geäußert. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung traf er sich jedoch am Sonntagabend mit SPD-Chef Lars Klingbeil zu einem Krisengespräch. Weitere Gespräche zwischen Scholz, Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sind geplant. Dabei geht es nicht nur um Lindners Forderungen, sondern auch um die Schließung einer Milliardenlücke im Bundeshaushalt 2025.
Für Mittwoch ist der erste Koalitionsausschuss seit Monaten angesetzt. Bis dahin sollen Scholz, Lindner und Habeck in Dreiergesprächen Lösungsvorschläge erarbeiten. Ob die Ampelparteien noch genügend Gemeinsamkeiten finden, um die Koalition zu retten, ist derzeit völlig offen. Die Frankfurter Rundschau zitiert Klingbeil mit den Worten, er sei von den Spekulationen über ein Koalitionsende genervt.
Konkret schlägt Lindner unter anderem vor, die zehn Milliarden Euro, die für die vorerst gestoppte Intel-Chipfabrik bei Magdeburg vorgesehen waren, anderweitig im Haushalt einzusetzen. Einsparungen will er bei Rente und Bürgergeld erzielen. So soll das Rentenniveau neu berechnet und bei vorzeitigem Renteneintritt höhere Abschläge einbehalten werden. Beim Bürgergeld schlägt Lindner eine Kürzung des Regelsatzes und eine regionale Mietobergrenze vor. Die eingesparten Gelder sollen für die Senkung der Körperschaftssteuer und des Solidaritätszuschlags verwendet werden.
Im Falle eines Koalitionsbruchs wären Neuwahlen oder eine rot-grüne Minderheitsregierung denkbar. Letztere wird von den Grünen kritisch gesehen, da der Handlungsspielraum ohne verabschiedeten Haushalt stark eingeschränkt wäre. Die Süddeutsche Zeitung weist zudem auf die US-Wahl am Dienstag hin, die je nach Ausgang zusätzliche Dynamik in die Situation bringen könnte.
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