Bayerns neuer Trainer wählt eine Taktik, die Meister Leverkusen beim 1:1 im Spitzenspiel in eine ungewohnt defensive Rolle drängt. Dafür bekommt er Lob von Xabi Alonso – der zudem einen großen Unterschied zum Team des Vorgängers Tuchel erkennt.
Von Philipp Schneider
Vincent Kompany griff sich schnell das Glas und trank einen Schluck Wasser. Kurz Zeit verschaffen. Nachdenken. Die Dinge sacken lassen. Nicht, dass sein Satz von gerade und sein anschließendes Lachen falsch rübergekommen waren bei seinem Stuhlnachbarn, dem Trainer Xabi Alonso? Das war garantiert nicht die Absicht gewesen!
„Ich glaube, Bayern hat sich unter Vincent schon sehr verändert“, hatte Kompany auf der Pressekonferenz nach dem 1:1 gegen Bayer Leverkusen gesagt. Es war die erste Punkteteilung nach zuvor vier Siegen für den FC Bayern in der noch jungen Saison, und sie fühlte sich für die Münchner wie eine Niederlage an. Kompany aber lächelte. So als habe er in der Punkteteilung eine Bestätigung gesehen, dass sein Plan aufgeht. Und so als habe er seinen Gegenüber Alonso mit seiner Aussage ein bisschen ärgern wollen.
Denn ja, der FC Bayern hat sich unter Kompany verändert. Das war nicht zu übersehen in diesem intensiven, spannenden und hochklassigen Spitzenspiel am Mittwochabend. Es war ein Duell, das in der vergangenen Saison wohl noch andersherum verlaufen wäre: mit einem forschen, dominanten FC Bayern und einem tiefstehenden Gegner aus Leverkusen, der auf Konter lauerte. Diesmal aber war es andersherum. Kompany hatte seine Mannschaft auf ein 3-4-3-System ausgerichtet, das Meister Leverkusen in der ersten Halbzeit in eine ungewohnt passive Rolle zwang.
„Bayern war sehr aggressiv, sie haben uns keine Räume gelassen“, sagte Alonso nach dem Spiel. „Wir mussten viel verteidigen.“ Es war ein ungewohntes Lob für einen Gegner von Alonso, der in der Vorsaison mit Leverkusen den FC Bayern zweimal besiegt hatte und dabei stets das dominantere Team gestellt hatte. Doch an diesem Abend musste sich auch der Spanier eingestehen, dass der FC Bayern unter Kompany ein anderes Kaliber ist als noch unter dessen Vorgänger Thomas Tuchel.
„Man sieht, dass die Spieler jetzt eine klare Idee haben, wie sie spielen wollen“, sagte Alonso. „Sie sind sehr diszipliniert und arbeiten sehr hart füreinander.“ Es sind Attribute, die man in der vergangenen Saison, als der FC Bayern unter Tuchel den Meistertitel verspielte und in der Champions League frühzeitig ausschied, schmerzlich vermisst hatte. Unter Kompany aber scheint der Rekordmeister wieder zu alter Stärke zurückzufinden. Der Belgier hat der Mannschaft neues Leben eingehaucht, sie spielt wieder mit einer Intensität und Leidenschaft, die in den vergangenen Monaten verloren gegangen war.
„Vincent macht einen tollen Job“, lobte auch Bayerns Sportdirektor Christoph Freund nach dem Spiel. „Er hat der Mannschaft eine neue Spielidee vermittelt, die die Spieler verinnerlicht haben.“ Und auch die Spieler selbst zeigen sich begeistert von ihrem neuen Trainer. „Er gibt uns viel Selbstvertrauen“, sagte Leon Goretzka. „Wir haben wieder Spaß am Fußballspielen.“
Natürlich ist es noch zu früh, um eine endgültige Bilanz der Arbeit von Kompany beim FC Bayern zu ziehen. Doch die ersten Wochen unter dem neuen Trainer stimmen zuversichtlich. Kompany hat der Mannschaft neues Leben eingehaucht und sie wieder zu einem ernstzunehmenden Titelkandidaten geformt. Und wer weiß, vielleicht gelingt es ihm ja sogar, den FC Bayern wieder zu dem gefürchteten Gegner zu machen, der er einst war.
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