Die Bilder der chaotischen Evakuierung aus Kabul im August 2021 sind vielen noch präsent. Tausende Afghanen suchten nach der Machtübernahme der Taliban Zuflucht im Ausland, auch in Deutschland. Doch während viele Menschen noch immer auf ihre Ausreise warten, reisen andere bereits wieder zurück nach Afghanistan – und sorgen damit für Kritik. Doch was treibt Geflüchtete an, in das Land zurückzukehren, das sie einst aus Angst verlassen haben?
Ein wesentlicher Grund für die Rückkehr afghanischer Flüchtlinge sind starke familiäre Bindungen. Viele haben Eltern, Geschwister oder Kinder im Heimatland zurückgelassen und sehnen sich nach ihnen. „Vor Kurzem kam Saras Mutter bei einem Verkehrsunfall in Afghanistan ums Leben. „Ich wollte bei der Beerdigung dabei sein, deshalb bin ich hingeflogen“, sagt die 26 Jahre alte Afghanin.“, berichtete die FAZ am 29.09.2024. Solche Ereignisse zwingen Betroffene oft zu der Entscheidung, trotz potenzieller Gefahren in ihre Heimat zurückzukehren.
Darüber hinaus spielen kulturelle Verpflichtungen eine Rolle. Hochzeiten, Beerdigungen oder die Pflege kranker Familienmitglieder sind Ereignisse, die in der afghanischen Kultur einen hohen Stellenwert einnehmen und eine Reise in die Heimat notwendig machen können.
Die Heimreisen von Geflüchteten stoßen jedoch auch auf Kritik. Insbesondere Politiker wie CDU-Chef Friedrich Merz stellen das Schutzbedürfnis von Menschen infrage, die in ihre Heimat zurückkehren. „Wer in sein Heimatland reisen kann, um dort Urlaub zu machen oder Verwandte zu besuchen, der hat nun sicher auch keinen Grund mehr, in Deutschland ein Asylverfahren weiter zu betreiben“, sagte Merz.
Tatsächlich sehen die rechtlichen Regelungen vor, dass der Flüchtlingsstatus aberkannt werden kann, wenn sich Betroffene wieder in den Schutz ihres Heimatstaates begeben. Ob dies der Fall ist, muss jedoch im Einzelfall geprüft werden.
Erschwert werden diese Prüfungen durch mangelnde Kontrollen. Wie RTL berichtete, nutzen einige Flüchtlinge sogenannte „Double-Entry“-Visa, um unerkannt nach Afghanistan zu reisen. Dabei wird das Visum für den Iran nur auf einem losen Papier dokumentiert, das vor der Rückreise nach Deutschland entsorgt wird. Für die deutschen Behörden sieht es dann so aus, als sei die Person nur im Iran gewesen.
Die Bundesregierung räumt ein, dass keine genauen Zahlen zu Heimreisen von Flüchtlingen vorliegen. Der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci fordert jedoch Aufklärung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Es brauche eine Statistik, wie viele Personen über das Jahr wegen solcher Heimreisen den Flüchtlingsstatus entzogen bekommen, „damit wir auch wissen, worüber wir reden“, so Castellucci.
Die Heimreisen afghanischer Flüchtlinge sind ein komplexes Thema, das nicht nur rechtliche, sondern auch ethische Fragen aufwirft. Einerseits ist es nachvollziehbar, dass Menschen ihre Familien sehen und an wichtigen Ereignissen im Leben ihrer Angehörigen teilhaben möchten. Andererseits wirft die Rückkehr in ein Land, das man aus Angst verlassen hat, Fragen nach dem tatsächlichen Schutzbedürfnis auf.
Umso wichtiger ist es, dass die Behörden die Heimreisen von Flüchtlingen genauer untersuchen und die rechtlichen Grauzonen schließen. Gleichzeitig muss ein differenzierter Blick auf die individuellen Beweggründe der Betroffenen möglich sein, um faire Entscheidungen im Einzelfall treffen zu können.
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