Das Tote Meer, bekannt für seinen extrem hohen Salzgehalt und als tiefstgelegener Punkt der Erde, ist ein fragiles Ökosystem im Wandel. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, sinkt der Wasserspiegel seit Jahrzehnten kontinuierlich, bedingt durch Trockenheit, Hitze, den geringen Zufluss des Jordan und die starke Verdunstung. Dieser Rückgang hat nicht nur Auswirkungen auf die Wasserversorgung der Anrainerstaaten, sondern destabilisiert auch den Untergrund. So entstehen an den Ufern immer wieder sogenannte Sinkholes – Einsturzkrater, die bis zu 100 Meter breit und 30 Meter tief sein können.
Doch nicht nur an Land, auch unter Wasser zeigt das Tote Meer Zeichen der Veränderung. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig haben bei Tauchgängen nahe dem israelischen Ufer ein ungewöhnliches Phänomen entdeckt: Am Seegrund befinden sich schlotförmige Kamine, aus denen eine weißliche Flüssigkeit austritt. Diese „Weißen Raucher“, wie sie genannt werden, erinnern auf den ersten Blick an ähnliche Strukturen in der Tiefsee, doch ihre Entstehung ist eine andere.
Wie Spektrum der Wissenschaft berichtet, handelt es sich bei der austretenden Flüssigkeit nicht um heißes, mineralreiches Wasser wie bei den Schwarzen Rauchern der Tiefsee, sondern um kaltes, salzhaltiges Grundwasser. Dieses Grundwasser, so die Wissenschaftler, stammt aus den umliegenden Grundwasserleitern der judäischen Berge. Es dringt in die salzhaltigen Sedimente unter dem Toten Meer ein, laugt diese aus und steigt dann am Seegrund wieder auf. Der Kontakt mit dem Seewasser führt zur Kristallisation der Salze, wodurch die charakteristischen Schlote entstehen.
Die Weißen Raucher können innerhalb kurzer Zeit beachtliche Ausmaße erreichen. Wie das ZDF berichtet, werden manche Schlote bis zu sieben Meter hoch und haben einen Durchmesser von zwei bis drei Metern. Laut der Leipziger Zeitung wachsen die Schlote täglich um mehrere Zentimeter. Die Forschenden konnten anhand von Spuren von Süßwassermikroben und dem Radioisotop Chlor-36 nachweisen, dass das Wasser der Schlote tatsächlich aus dem umliegenden Grundwasser stammt und die Salze erst kurz vor dem Austritt in das Tote Meer aufgenommen wurden.
Die Entdeckung der Weißen Raucher ist nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern könnte auch von praktischem Nutzen sein. Wie die Welt berichtet, könnten die Schlote als Frühwarnindikatoren für die Entstehung von Sinkholes dienen. Die UFZ-Forscher haben festgestellt, dass die Landoberfläche oft dort einbricht, wo sich zuvor Weiße Raucher gebildet haben. Durch die Kartierung der Schlote mit autonomen Wasserfahrzeugen, so die Wissenschaftler, könnten gefährdete Gebiete frühzeitig identifiziert und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden.
Die Weißen Raucher im Toten Meer sind ein weiteres Beispiel dafür, wie sich das Ökosystem des Salzsees durch den sinkenden Wasserspiegel verändert. Sie bieten nicht nur Einblicke in die komplexen hydrogeologischen Prozesse am Grund des Toten Meeres, sondern könnten auch dazu beitragen, die Gefahren durch Einsturzkrater an den Ufern besser einzuschätzen.