8.11.2024
Bayaz über Ampel-Aus Ursachen und Perspektiven

Ein Kanzler kann sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen

Der Ausspruch „Ein Kanzler kann sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen“ gewann zuletzt an Bedeutung, als die Ampel-Koalition im November 2024 platzte. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 8. November 2024 berichtete, äußerte sich Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) in einem Interview zu den Gründen des Koalitionsendes. Er kritisierte dabei das Vorgehen des damaligen Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP) und dessen „Abkehr von der eigenen Politik der letzten drei Jahre“. Bayaz betonte, dass Lindners Papier zur Wirtschaftswende zwar legitim gewesen sei, aber im Kern ein reines FDP-Papier darstellte und die Koalitionspartner vor vollendete Tatsachen stellte. Der Umgang miteinander sei das eigentliche Problem gewesen, so Bayaz gegenüber der FAZ. Die Beziehung zwischen Scholz und Lindner, die für gutes Regieren entscheidend sei, war laut Bayaz „irreparabel beschädigt“.

Die Aussage „Ein Kanzler kann sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen“ verdeutlicht die Notwendigkeit einer klaren Führung und Entscheidungsfähigkeit im Kanzleramt. Laut Bayaz habe Scholz die kritische Lage der Wirtschaft zu lange schön geredet. Die Frage nach der Verantwortung der Grünen am Scheitern der Koalition beantwortete Bayaz mit dem Hinweis auf die Bemühungen seiner Partei, Lösungen zu finden. Letztlich trügen aber alle Koalitionspartner die Verantwortung für das Scheitern. Der Grünen-Politiker verglich die Situation mit einer gescheiterten Ehe, in der sich über Jahre hinweg viel angestaut habe, was schließlich zum Ausbruch geführt habe.

Als zentralen Fehlerpunkt identifizierte Bayaz das Liegenbleiben der von Scholz ausgerufenen Zeitenwende nach einem anfänglich kraftvollen Start und einem guten Management der Energiekrise. Hinzu kam das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Corona-Krediten, das die Regierung in eine schwierige Lage brachte. Bayaz kritisierte, dass die Regierung sich von einem Haushaltsdrama zum nächsten hangelte, anstatt die strukturelle Krise und den massiven Investitionsbedarf anzuerkennen. Er plädierte für eine Anpassung der Regeln, um den Herausforderungen in den Bereichen Rente, Steuern, Arbeit, Infrastruktur und Verteidigung begegnen zu können. Die enge Schuldenbremse und ein eingefrorenes Steuersystem seien hinderlich, so Bayaz.

Bayaz räumte ein, dass mehr Kredite auch die Gefahr bergen, notwendige Anpassungen hinauszuzögern. Deshalb brauche es einen engen Fokus auf Investitionen und Sicherheit. Er befürwortete Neuwahlen, um schnellstmöglich wieder handlungsfähig zu sein. Gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit dringender Wachstumsimpulse und Klarheit bei der Finanzierung der Verteidigung. Hier appellierte er an die staatspolitische Verantwortung der Union und forderte Friedrich Merz auf, die ausgestreckte Hand des Bundeskanzlers anzunehmen.

Zu den weiteren Projekten, die Scholz durch den Bundestag bringen wollte, wie Rente und kalte Progression, äußerte sich Bayaz ebenfalls. Er betonte die Notwendigkeit von Impulsen für den Standort, wie beispielsweise bessere Abschreibungsbedingungen. Die Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags sei verfassungsrechtlich geboten. Das Wachstumspaket der alten Bundesregierung sei in Ordnung, enthalte aber eher zu wenig als zu viel Schlagkraft. Das Rentenpaket sehe er kritisch, da es jüngere Generationen belaste.

Bayaz zeigte sich zuversichtlich, dass Robert Habeck die Grünen als Spitzenkandidat in den Wahlkampf führen werde. Habeck vertrete einen modernen und pragmatischen Führungsstil und setze auf Argumente. Die Grünen bräuchten nun ein neues Politikangebot, und Habeck sei dafür der Richtige, so Bayaz.

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