September 19, 2024
Chancengleichheit für kleinere Parteien im Wahlkampf

Wahlberichterstattung: Tierschutzpartei gewinnt gegen RBB

In einem bedeutenden Rechtsstreit hat die Tierschutzpartei gegen den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) gewonnen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass der RBB am Abend der Landtagswahl in Brandenburg, die am 22. September 2024 stattfindet, Parteien, die voraussichtlich mehr als zwei Prozent der Stimmen erhalten, gesondert in seinen Prognosen und Hochrechnungen nennen muss. Diese Entscheidung stellt einen wesentlichen Fortschritt für die Chancengleichheit kleinerer Parteien in der medialen Berichterstattung dar.

Der RBB hatte sich zuvor vehement gegen die gesonderte Nennung kleinerer Parteien gewehrt, da er seine redaktionelle Freiheit in Gefahr sah. Das Gericht jedoch stellte klar, dass das Recht der Parteien auf Chancengleichheit auch in der Berichterstattung am Wahlabend gilt. „Die Bedeutung, die der Präsentation des Wahlergebnisses gerade für kleinere Parteien zukommt, wird unzulässig verkürzt, wenn man vorrangig darauf abstellt, dass die nächsten Landtagswahlen erst in fünf Jahren stattfinden“, so die Richter.

Das Gericht hat zudem festgelegt, dass maximal zehn Parteien in den Grafiken dargestellt werden dürfen. Zu den Parteien, die voraussichtlich einen eigenen Balken erhalten werden, gehören die SPD, CDU, AfD, Grüne, BSW, Linke, BVB/Freie Wähler und die Tierschutzpartei. Möglicherweise werden auch die FDP und die Plus-Liste (eine gemeinsame Liste von Piraten, ÖDP und Volt) berücksichtigt.

Rechtsstreit und seine Hintergründe

Der Rechtsstreit hatte seinen Ursprung in der Landtagswahl 2019, als die Tierschutzpartei 2,6 Prozent der Stimmen erhielt, jedoch nicht mit einem eigenen Diagrammbalken in den Wahlsendungen des RBB dargestellt wurde. Stattdessen wurde sie in der Kategorie „Andere“ zusammengefasst, was ihrer Sichtbarkeit und ihrem politischen Einfluss schadete. Der RBB hatte argumentiert, dass die Nennung kleinerer Parteien eine Überfrachtung der Sendungen zur Folge hätte und die Zuschauer überfordern könnte. Diese Argumentation wurde jedoch vom Gericht als nicht überzeugend zurückgewiesen.

Das Gericht wies darauf hin, dass eine Partei, die zwei Prozent der Stimmen erhält, bei einer angenommenen Wahlbeteiligung von 60 Prozent eine nicht unerhebliche Anzahl von 25.200 Stimmen erlangt. Es sei nicht ausreichend, solche Parteien lediglich im Internet zu erwähnen; dies müsse auch in den Fernsehsendungen geschehen.

Reaktionen auf das Urteil

Korbinian Geiger, der Rechtsanwalt der Tierschutzpartei, begrüßte das Urteil und betonte, dass es nicht hinnehmbar sei, dass hinter dem Schutzschild der Rundfunkfreiheit das Gebot der umfassenden Information nicht befolgt werde. Er wies auch darauf hin, dass die bisherigen Behauptungen über statistische Ungenauigkeiten von Prognosen und Hochrechnungen unter drei Prozent sich nun als unbegründet erwiesen hätten.

Der RBB muss nun nicht nur die Entscheidung umsetzen, sondern auch die Kosten des Verfahrens tragen. Pressesprecher Justus Demmer erklärte, dass der RBB das Urteil prüfe und sich nicht weiter äußern wolle.

Auswirkungen auf die Wahlberichterstattung

Die Entscheidung des Gerichts könnte weitreichende Folgen für die Wahlberichterstattung in Deutschland haben. Sie stellt sicher, dass auch kleinere Parteien, die nicht die Fünfprozenthürde überschreiten, in den Medien angemessen vertreten werden. Dies könnte dazu beitragen, dass die Wähler besser informiert sind und die politischen Landschaften vielfältiger abgebildet werden.

Die Tierschutzpartei argumentiert, dass eine gesonderte Nennung ihr helfen würde, neue Mitglieder zu gewinnen und Spenden zu akquirieren. Sie verweist darauf, dass bereits ab einem Prozent der Stimmen Anspruch auf staatliche Finanzierung besteht. Die Berichterstattung könnte somit nicht nur die Sichtbarkeit der Partei erhöhen, sondern auch ihre finanziellen Möglichkeiten stärken.

FDP im Parallelstreit

Parallel zu diesem Rechtsstreit hat die FDP eine vorläufige Niederlage erlitten. Ihr Versuch, an der geplanten Sendung „rbb24 – Ihre Wahl: Der Kandidatencheck“ teilzunehmen, wurde vom Verwaltungsgericht Potsdam abgelehnt. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass nur Spitzenkandidaten von Parteien eingeladen wurden, die im Landtag vertreten sind oder in den Umfragen stabil über fünf Prozent liegen. Diese Kriterien erfüllt die FDP nicht.

Der Landeschef der FDP, Zyon Braun, bezeichnete die Ausladung als „Skandal“ und kündigte an, weitere Schritte zu prüfen. Diese Situation verdeutlicht die Herausforderungen, mit denen die FDP konfrontiert ist, während sie versucht, ihre Sichtbarkeit im politischen Diskurs zu erhöhen.

Fazit

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Chancengleichheit für kleinere Parteien dar. Die Tierschutzpartei hat durch diesen Rechtsstreit nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere kleinere Parteien einen Präzedenzfall geschaffen. Die kommenden Wochen werden entscheidend sein, um zu beobachten, wie sich diese Auseinandersetzungen entwickeln und welche Auswirkungen sie auf die Wählergunst der betroffenen Parteien haben werden.

Die Diskussion über die faire Berichterstattung im Vorfeld der Landtagswahl in Brandenburg wird weiterhin anhalten, während die Tierschutzpartei und die FDP um ihre Sichtbarkeit kämpfen und versuchen, ihre Positionen im politischen Spektrum zu stärken.

Quellen: FAZ, Tierschutzpartei, Utopia.

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