Die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen werfen die Frage auf, wie China das Rennen zwischen Donald Trump und Kamala Harris betrachtet. Die wirtschaftlichen und politischen Implikationen sind immens, wie Gustav Theile in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) vom 3. November 2024 berichtet. Es geht um die Zukunft der globalen Blockbildung, die Positionierung Europas, die Stabilität der Weltwirtschaft angesichts potenziell höherer Zölle, die Verschärfung von Tech-Sanktionen und das Schicksal Taiwans.
Theile hebt die Beziehung zwischen Elon Musk und dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang hervor. Ihr Treffen vor fünf Jahren in Shanghai, als Musk die Tesla Gigafactory baute, verdeutlicht die damalige Bedeutung Chinas für Tesla. Heute ist China einer der wichtigsten Märkte für Tesla, und Musk lobt die Shanghaier Fabrik regelmäßig. Diese Verbindung wirft die Frage auf, ob China aufgrund dieser Beziehung Trump bevorzugt, mit dem Musk nun Wahlkampf macht.
Offiziell gibt sich die chinesische Regierung neutral. Vertreter regierungsnaher Denkfabriken in Peking betonen, dass sowohl Trump als auch Harris auf Konfrontation setzen würden, lediglich mit unterschiedlicher Taktik. Hinter vorgehaltener Hand äußern chinesische Beobachter in Shanghai jedoch laut F.A.Z., dass China Trump bevorzugen würde. Auch Alicia Garcia-Herrero, Asien-Pazifik-Chefökonomin der französischen Investmentbank Natixis, teilt diese Einschätzung. Han Lin, China-Direktor der Asia Group, bestätigt, dass er unter den politischen Entscheidungsträgern in China niemanden kenne, der Harris bevorzuge. Er erklärt die offizielle Neutralität Pekings mit dem Wunsch, nicht mit Wahleinmischungen in Verbindung gebracht zu werden.
Die Gründe für eine mögliche Präferenz Trumps sind vielfältig. Neben dem Tesla-Faktor argumentieren Experten, dass China trotz des von Trump initiierten Zollkriegs dessen Handelspolitik inzwischen bevorzuge, da die Zölle Chinas Exporte nicht gebremst hätten. Die zielgerichteteren Tech-Sanktionen unter Biden, die Harris vermutlich fortsetzen würde, werden als wirksamer eingeschätzt. Garcia-Herrero, zitiert von der F.A.Z., betont, dass Trumps Zölle mehr Schlupflöcher gelassen hätten als Bidens Maßnahmen. Yun Sun, Direktorin des China-Programms des Stimson Centers in Washington, sieht in den Tech-Sanktionen eine Bedrohung für das künftige chinesische Wirtschaftswachstum.
Ein weiterer Aspekt ist die mögliche Auswirkung auf Europa. Erwartete Spannungen zwischen Washington und Brüssel unter Trump könnten Peking Chancen eröffnen. Garcia-Herrero, die in Taiwan lebt, sieht in der Taiwan-Frage den Hauptgrund für Chinas vermeintliche Trump-Präferenz. Sie glaubt, dass Trump Taiwan "für einen Deal verkaufen" würde. Peking wisse, dass es ein kleines Zeitfenster habe, bevor Taiwan sich weiter von China entfernt.
Es gibt jedoch auch Gegenstimmen. Cameron Johnson, Partner der Beratung Tidal Wave Solutions in Shanghai, berichtet von Gesprächen mit Regierungsvertretern, die Harris bevorzugen würden. Sie befürchten höhere Zölle unter Trump und schätzen die größere Berechenbarkeit von Harris. In der chinesischen Bevölkerung scheint Trump aufgrund seines autoritären Stils und der Projektion von Stärke größere Sympathien zu genießen. Bücher von oder über Trump und Musk gehören zu den Bestsellern.
Die Stimmung in der Bevölkerung ist gemischt. In einer Shanghaier Bar, die Theile in seinem F.A.Z.-Artikel beschreibt, unterstützen die meisten Gäste Trump. Ein Student betont die politische Isolation der meisten Chinesen aufgrund der Zensur. Ein anderer Gast kritisiert die linke Elite in den USA. Die Barkeeperin zeigt sich angesichts der Wirtschaftskrise in China resigniert und fragt, ob es überhaupt einen Unterschied mache, wer gewinnt.
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