Die Parlamentswahl in Georgien vom 26. Oktober 2024 sorgt für heftige Kontroversen. Während die Regierungspartei „Georgischer Traum“ den Sieg für sich beansprucht und sich auf EU-Kurs sieht, hagelt es national wie international Kritik an der Wahl. Wie Reinhard Veser in der F.A.Z. berichtet, zeigt sich Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili zufrieden mit dem EU-Fortschrittsbericht und sieht Georgien „auf dem Weg der EU-Integration“. Dies steht im krassen Widerspruch zur Einschätzung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der Georgien „von der EU weg bewegt“ sieht und die Wahl als Bestätigung dieser Tendenz wertet. Der EU-Botschafter in Georgien spricht sogar von einem „beispiellosen Rückschritt“ in Sachen Justiz und Grundrechte.
Die Regierungspartei scheint die Kritik an den mutmaßlichen Wahlmanipulationen, wie von verschiedenen Medien berichtet wird, ignorieren zu wollen. So habe die Wahlkommission laut F.A.Z. Anfang der Woche eine Erklärung veröffentlicht, in der die OSZE-Wahlbeobachter die Wahl „positiv“ bewertet hätten. Der tatsächliche OSZE-Bericht fällt jedoch wesentlich kritischer aus. Auch Äußerungen von Bürgermeister Kacha Kaladse und Fraktionsvorsitzendem Mamuka Mdinaradse, die den OSZE-Bericht und Bidens kritische Stellungnahme positiv umdeuteten, zeugen von dieser Strategie.
Das offizielle Ergebnis sieht den „Georgischen Traum“ mit 53,9 Prozent der Stimmen als Sieger. Die Opposition, zusammen mit Präsidentin Salome Surabischwili, erkennt dieses Ergebnis aufgrund systematischer Manipulationen nicht an, so die Tagesschau. Die Wahlbeobachtergruppe „Meine Stimme“ hat laut F.A.Z. bereits die Annullierung des Ergebnisses in zahlreichen Wahlbezirken beantragt. Begründet wird dies mit Verstößen gegen das Wahlgeheimnis, Einschüchterung von Wählern und mehrfachen Stimmabgaben.
Der „Georgische Traum“ versucht, die Zweifel an der Wahl mit oberflächlichen Maßnahmen zu zerstreuen. Die Wahlkommission verkündete, so das ZDF, dass eine Neuauszählung in ausgewählten Bezirken nur minimale Abweichungen ergeben habe. Kritiker bemängeln jedoch nicht primär die Auszählung, sondern die Methoden der Stimmenbeschaffung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen „Einmischung in die Arbeit von Wahlkommissionen“, was laut F.A.Z. den Verdacht aufkommen lässt, dass die Ermittlungen sich gegen die Kritiker der Regierung richten könnten. Präsidentin Surabischwili, die von der Staatsanwaltschaft vorgeladen wurde, ist dieser Vorladung nicht erschienen. Sie vermutet ein politisches Verfahren gegen sich.
Die ZEIT analysierte die Wahlergebnisse und fand Hinweise auf mögliche Manipulationen, insbesondere in ländlichen Wahlbezirken und Bezirken mit hoher Wahlbeteiligung. Berichte über Druck auf Wähler, Stimmenkauf, Überwachung und Gewalt in Wahllokalen verstärken den Verdacht. Die Wahlbeobachter dokumentieren ein System der Wahlbeeinflussung, das auf Einschüchterung und Stimmenkauf setzt, was schwerer nachweisbar ist als direkte Wahlfälschung. Die von der Regierungspartei installierten Kameras in vielen Wahllokalen trugen zusätzlich zu einer Atmosphäre der Kontrolle bei.
Die Wahl in Georgien war richtungsweisend für den EU-Beitrittsprozess des Landes. Die Opposition strebt eine Annäherung an die EU an, während die Regierungspartei als russlandfreundlich gilt. Präsidentin Surabischwili sprach von einer „russischen Spezialoperation“ zur Beeinflussung der Wahl, ohne jedoch Beweise vorzulegen. Die internationale Gemeinschaft hat noch nicht entschieden, ob sie das Wahlergebnis anerkennen wird. Die EU will ihre Entscheidung vom OSZE-Abschlussbericht abhängig machen.
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