Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) trafen sich am Sonntagabend im Kanzleramt zu Beratungen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dürfte es bei dem Gespräch um die gegenwärtige Lage in der Ampel-Koalition und die Reaktion auf Lindners Wirtschaftspapier gegangen sein. Zuvor hatte Scholz die SPD-Spitze im Kanzleramt empfangen. Diese Treffen bilden den Auftakt zu einer Reihe von Gesprächen innerhalb der Ampel, um sich auf gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftsschwäche in Deutschland zu einigen.
Wie der Spiegel berichtet, plant Scholz zwei bis drei Sechs-Augen-Gespräche mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor dem Koalitionsausschuss am Mittwoch. Ziel sei es, vorab Klarheit über den Fortbestand der Ampel zu schaffen. Die Süddeutsche Zeitung zitiert Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), der Lindners „Gegengipfel“ mit Wirtschaftsverbänden am selben Tag wie Scholz‘ Industriegipfel als „ziemlich dicken Hund“ bezeichnet.
Lindner verteidigte seine Vorschläge für eine Kurswende in der Wirtschaftspolitik am Sonntagabend im ZDF. „Die Rahmenbedingungen haben sich verändert, und darauf müssen wir reagieren“, sagte der FDP-Vorsitzende. Seine Vorschläge seien realisierbar, finanzierbar und würden von der Wirtschaft gelobt. Wie Focus Online berichtet, betonte Lindner die Notwendigkeit einer „Richtungsentscheidung“ in der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie einer Regierung mit „klarem Kurs“.
In seinem 18-seitigen Papier, das am Freitag veröffentlicht wurde und über das der Stern ausführlich berichtet, fordert Lindner eine „Wirtschaftswende“ und eine Revision grundlegender Ampel-Entscheidungen. Er macht für die derzeitige wirtschaftliche Lage zu viel Bürokratie, zu hohe Steuern, zu hohe Energiepreise und die aktuelle Klimapolitik verantwortlich. Lindner will unter anderem ein Regulierungsmoratorium, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle, eine Verschiebung der Klimaziele auf 2050 und die Auflösung des Klimafonds KTF durchsetzen. Die schuldenfinanzierten Vorschläge von Habeck für mehr Investitionen lehnt er als verfassungsrechtlich nicht umsetzbar ab. SPD und Grüne reagierten ablehnend auf Lindners Forderungen, während die Union, wie die Frankfurter Rundschau berichtet, Neuwahlen fordert.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken erklärte laut Spiegel, die von Lindner geforderten Punkte seien „in der Koalition nicht zu verwirklichen“. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter bezeichnete das Papier als „Nebelkerze“, wie die Tagesschau berichtet. Laut Tagesspiegel sieht SPD-Chef Lars Klingbeil die kommende Woche als „Woche der Entscheidungen“ für die Ampel.
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