Am Sonntag findet in der Republik Moldau die Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Die Wählerinnen und Wähler stehen vor der Entscheidung, ob das Land seinen prowestlichen Kurs unter der amtierenden Präsidentin Maia Sandu fortsetzt oder einen Politikwechsel in Richtung Russland vollzieht. Wie Michael Martens in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) berichtet, geht es um die Frage, ob die rund 2,5 Millionen Einwohner zählende Republik an die EU heranrückt oder sich Moskau annähert.
Maia Sandu und ihre „Partei der Aktion und Solidarität“, die im Parlament die absolute Mehrheit hält, streben eine feste Verankerung Moldaus im Westen an. Während ihrer ersten Amtszeit stellte die Republik einen Beitrittsantrag zur Europäischen Union, der, wie die FAZ berichtet, aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine entgegen ursprünglicher Erwartungen von der Kommission und den Mitgliedstaaten angenommen wurde. Die Beitrittsverhandlungen haben bereits begonnen.
Ihr Herausforderer, Alexandr Stoianoglo, stammt aus der russischsprachigen autonomen Region Gagausien und war zuvor Generalstaatsanwalt Moldaus. Seine Kandidatur wird von der prorussischen Sozialistischen Partei des ehemaligen Präsidenten Igor Dodon unterstützt. Stoianoglo positioniert sich laut FAZ zwar nicht explizit gegen die EU, befürwortet aber einen Kurs der „Neutralität“, der faktisch eine Annäherung an Russland bedeuten würde. Obwohl er den Krieg gegen die Ukraine allgemein verurteilt und die territoriale Integrität des Landes betont, vermeidet er es, Russland direkt als Aggressor zu benennen.
Der ehemalige moldauische Außenminister Nicu Popescu warnte laut FAZ, ein Wahlsieg Stoianoglos würde Moldau zu einem „zweiten Georgien“ machen, dessen Regierung sich zwar rhetorisch proeuropäisch gibt, aber tatsächlich russischen Interessen dient und von mit Moskau verbundenen Oligarchen kontrolliert wird. Ähnlich äußerte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview, wie die FAZ berichtet.
Obwohl Sandu in der ersten Wahlrunde am 20. Oktober mit 42,5 Prozent der Stimmen deutlich vor Stoianoglo (knapp 26 Prozent) lag, ist der Ausgang der Stichwahl offen. Da viele der anderen Kandidaten ebenfalls einen prorussischen Kurs verfolgen und Stoianoglo ihre Unterstützung zugesagt haben, muss Sandu ihre Wählerschaft mobilisieren. Entscheidend wird auch die Beteiligung der moldauischen Diaspora sein, die Sandu in der ersten Runde stark unterstützt hat, wie die FAZ analysiert.
Sandus erste Amtszeit war durch den Krieg in der Ukraine geprägt, der die moldauische Wirtschaft stark belastet. Steigende Energiepreise, die zwar zuletzt etwas sanken, aber immer noch deutlich über dem Vorkriegsniveau liegen, stellen viele Menschen in einem der ärmsten Länder Europas vor große Herausforderungen. Auch bei der Bekämpfung von Korruption und der Justizreform, zentralen Wahlversprechen Sandus, blieben die Erfolge begrenzt. Wie die FAZ berichtet, räumte Sandu im Wahlkampf Fehler ein und kündigte eine Kabinettsumbildung an.
Sowohl die Ukraine als auch Rumänien, die Nachbarstaaten Moldaus, unterstützen Sandu. Aus Kiew kamen laut FAZ Warnungen vor einer Verschlechterung der Beziehungen im Falle eines Sieges Stoianoglos. Es wurde spekuliert, dass die Ukraine „Maßnahmen“ ergreifen müsste, sollte Moldau zu einem prorussischen Brückenkopf werden.
Russland investiert, wie die FAZ berichtet, erhebliche Mittel, um Moldau von seinem prowestlichen Kurs abzubringen. Andrei Curararu von der NGO "WatchDog.md" mutmaßte in einem Interview, dass die vom Kreml für die Wahlbeeinflussung aufgebrachten Summen mit den Kosten eines einzigen Kriegstages in der Ukraine vergleichbar seien.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete über die extrem knappe Mehrheit für den EU-Kurs in der Verfassung und Vorwürfe prorussischer Wahlfälschung. Präsidentin Sandu sprach von Stimmenkauf und einem Angriff auf die Demokratie. Die Tagesschau berichtete ebenfalls über die hauchdünne Mehrheit für den EU-Kurs in der Verfassung und die Stichwahl zwischen Sandu und ihrem prorussischen Gegner. Der Spiegel berichtete über die "beispiellosen" Ausmaße des Betrugs bei der Wahl. Radio RST berichtete über die Stichwahl und die Herausforderungen für Sandu aufgrund der steigenden Energiepreise. Die NZZ berichtete über die Stichwahl und die Vorwürfe der Wahlmanipulation durch Sandu.
Eurotopics fasste die europäische Presseschau zusammen, die verschiedene Perspektiven auf die Wahl und das Referendum in Moldau bot. Einige Medien äußerten Besorgnis über den knappen Ausgang des Referendums und die Spaltung des Landes, während andere den Willen Moldaus zur demokratischen Zukunft und das Scheitern der russischen Einflussnahme betonten.
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