8.11.2024
Russlands Wirtschaft Zwischen Stagflation Und Leitzinspolitik

Russlands Wirtschaft im Zangengriff: Hoher Leitzins und die Folgen für die Moskauer Börse

Die russische Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Die Inflation, getrieben durch immense Rüstungsausgaben, setzt Unternehmen unter Druck. Die Zentralbank versucht mit einer straffen Geldpolitik und hohen Leitzinsen gegenzusteuern, was jedoch zu erheblichen Belastungen für die Moskauer Börse führt. Wie die F.A.Z. berichtet, erreichte der Leitzins Ende Oktober einen Wert von 21 Prozent, ein Niveau, das zuletzt kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 erreicht wurde. Damals hatte die Zentralbankchefin Elwira Nabiullina mit einem Zinssprung auf 20 Prozent einen drohenden Banken-Run abgewendet.

Diese aggressive Zinspolitik trifft insbesondere Unternehmen aus zivilen Branchen hart, da sie im Gegensatz zu kriegswichtigen Betrieben keinen Zugang zu staatlich subventionierten Krediten haben. Der Aktienmarkt spiegelt diese Entwicklung wider: Der MOEX, Russlands wichtigster Aktienindex, der die 50 größten Unternehmen abbildet, verzeichnete seit Mai einen Rückgang von rund 24 Prozent und notiert aktuell knapp oberhalb der 2500-Punkte-Marke. Wie die F.A.Z. weiter ausführt, hatte sich der Index nach dem Einbruch unter 2000 Punkte im Zuge des Kriegsbeginns zunächst erholt und im April dieses Jahres fast 3500 Punkte erreicht. Doch die Erwartung weiterer Zinserhöhungen führte bereits im Mai zu ersten Verkäufen, die sich nach der tatsächlichen Anhebung des Leitzinses von 16 auf 18 Prozent im Juli verstärkten.

Ein Kernproblem der russischen Wirtschaft ist der durch Demografie und Krieg verschärfte Arbeitskräftemangel. Bei einer Arbeitslosenquote von lediglich 2,4 Prozent kämpfen Unternehmen mit steigenden Löhnen um die wenigen verfügbaren Arbeitskräfte. Die Reallöhne stiegen in der ersten Jahreshälfte um rund 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig erschweren die Sanktionen den Zugang zu benötigten Maschinen und Bauteilen, was den Ausbau der Produktionskapazitäten behindert. Die Folge: Die hohe Nachfrage kann nicht bedient werden, die Preise steigen weiter.

Diese Situation birgt die Gefahr einer Stagflation, also einer Kombination aus hoher Inflation und niedrigem Wirtschaftswachstum. Wie das Wirtschaftsmedium RBK berichtet, warnte Sergej Tschemesow, Chef der Staatskorporation Rostec, vor den Folgen der restriktiven Geldpolitik Nabiullinas. Die Zentralbank prognostiziert für das kommende Jahr lediglich ein Wachstum von 0,5 bis 1,5 Prozent. Tschemesow befürchtet, dass viele Unternehmen unter diesen Bedingungen bankrottgehen könnten.

Nabiullina verteidigt ihren Kurs und argumentiert, dass niedrigere Zinsen den Wettbewerb um die knappen Arbeitskräfte weiter anheizen und die Inflationsspirale beschleunigen würden. Sie deutet an, dass die hohen Staatsausgaben für Rüstung und die damit verbundenen subventionierten Kredite die Wirksamkeit der hohen Leitzinsen beeinträchtigen. Wie die F.A.Z. berichtet, plant Russland, den Rüstungsetat im kommenden Jahr auf rund 128 Milliarden Euro zu erhöhen.

Analysten sehen in dieser Situation Unternehmen mit geringer Verschuldung und solche, die kein teures Kapital benötigen, im Vorteil. Dazu zählen IT-Konzerne wie Yandex oder die Personalplattform Headhunter. Auch der Goldproduzent Polyus profitiert von den steigenden Weltmarktpreisen. Die weitere Entwicklung des MOEX bleibt jedoch ungewiss und hängt unter anderem von den US-Präsidentschaftswahlen und der nächsten Zentralbanksitzung im Dezember ab.

Die hohen Zinsen belasten nicht nur die Börse, sondern auch die Realwirtschaft. Wie Reuters berichtet, beklagen sich immer mehr Industrieunternehmen und Lobbygruppen über die hohen Kreditkosten, die Investitionen behindern und das Wirtschaftswachstum gefährden. Besonders betroffen sind kapitalintensive Branchen wie der Energiesektor, wo die Finanzierung neuer Kraftwerke durch die hohen Zinsen erschwert wird. Auch kleinere und mittlere Unternehmen leiden unter den steigenden Kapitalkosten und dem Arbeitskräftemangel. Selbst im Ölhandel machen sich die hohen Zinsen bemerkbar, da sie die Handelsfinanzierung verteuern.

Die Kritik an der Zentralbank wächst, doch im aktuellen politischen Klima Russlands ist es schwierig, dem Kreml die Schuld zu geben. So konzentriert sich die Kritik auf die Geldpolitik Nabiullinas. Die hohen Zinsen sind ein Symptom der komplexen wirtschaftlichen Probleme Russlands, die durch den Krieg, die Sanktionen und den Arbeitskräftemangel verschärft werden.

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