27.10.2024
Streit um Wahlergebnis in Georgien: Regierungspartei und Opposition beanspruchen Sieg für sich

In der an Russland grenzenden Südkaukasusrepublik Georgien ist es nach der Parlamentswahl zu einem Streit über das vorläufige Ergebnis gekommen. Sowohl die Partei des einflussreichen Oligarchen Bidsina Iwanischwili als auch die proeuropäische Opposition beanspruchen den Sieg für sich, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen haben bereits Hunderte Wahlrechtsverstöße angeprangert. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird ihr endgültiges Urteil über die Gültigkeit der Wahl voraussichtlich im Laufe des Tages bekanntgeben.

Georgien, ein Land mit 3,7 Millionen Einwohnern am Schwarzen Meer, ist seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat. Der Beitrittsprozess wurde jedoch aufgrund von umstrittenen Gesetzen vorerst gestoppt. Die Opposition befürchtet, dass sich Georgien unter der Führung von Iwanischwili, der sein Vermögen in Moskau gemacht hat, noch stärker Russland zuwendet und sich von seinem EU-Kurs entfernt. Die von Iwanischwili gegründete Regierungspartei Georgischer Traum hingegen warb im Wahlkampf mit Frieden und Stabilität und schürte Ängste vor einem Krieg mit Russland, sollte die Opposition an die Macht kommen.

Die Wahlkommission in Tiflis sprach der Regierungspartei nach Auszählung von über 70 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit zu – etwa 53 Prozent. Vier proeuropäische Oppositionsblöcke, die die Sperrklausel von fünf Prozent überwanden, kamen zusammen auf gut 38 Prozent der Stimmen. Iwanischwili feierte bereits kurz nach Schließung der Wahllokale mit seinen Anhängern in Tiflis den Sieg, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine aussagekräftigen Ergebnisse vorlagen.

Die proeuropäische Staatspräsidentin Salome Surabischwili hingegen verkündete nach Veröffentlichung erster Prognosen, dass die proeuropäischen Parteien auf 52 Prozent der Stimmen kämen. Sie berief sich dabei auf Nachwahlbefragungen des US-Instituts Edison, die eine Niederlage der Regierungspartei vorhergesagt hatten.

Die prowestlichen Oppositionsbündnisse erkennen die offiziellen Ergebnisse nicht an und wollen weiter für den Sieg kämpfen. Sie eint das Ziel, den 68-jährigen Milliardär Iwanischwili zu entmachten und einen EU-freundlichen Kurs einzuschlagen. Die Wahlleitung habe lediglich Iwanischwilis Anweisungen befolgt, kritisierte Tinatin Bokutschawa, Chefin der Partei Vereinte Nationale Bewegung von Ex-Präsident Michail Saakaschwili. Man werde nun einen Aktionsplan erarbeiten.

„Die Wahlen sind der Opposition gestohlen worden. Dies ist ein verfassungsrechtlicher Staatsstreich und ein Missbrauch der Macht“, sagte Nika Gwaramia von der Koalition für den Wandel. Die Wahl sei mithilfe eines komplizierten technologischen Schemas gefälscht worden. Details nannte er nicht.

Hunderte Wahlbeobachter von Dutzenden Nichtregierungsorganisationen waren im Einsatz. Die vorläufigen Wahlergebnisse spiegelten nicht den Willen der Wähler wider, hieß es in einer Erklärung des proeuropäischen NGO-Bündnisses Myvote, die auch von Transparency International Georgien verbreitet wurde. Bereits im Vorfeld hatten Wahlrechtsexperten einen Missbrauch staatlicher Ressourcen durch die Regierungspartei beklagt.

Insgesamt waren rund 3,5 Millionen Georgier im In- und Ausland zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei rund 59 Prozent – drei Prozentpunkte höher als noch 2020.

Quelle: dpa

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