Die politische Landschaft Thüringens steht nach der Landtagswahl vor einer neuen Herausforderung: der möglichen Bildung einer sogenannten „Brombeerkoalition“ aus CDU, BSW und SPD. Diese Konstellation, so ungewöhnlich sie auch erscheinen mag, wird von den beteiligten Parteien als pragmatische Antwort auf das komplexe Wahlergebnis und die veränderte Parteienlandschaft betrachtet. Wie Georg Maier (SPD), Mario Voigt (CDU) und Katja Wolf (BSW) in einem gemeinsamen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10.11.2024 betonen, gehe es darum, „Politikfelder und Aufgaben zu identifizieren, in denen Veränderung, in denen eine neue Politik für die Menschen in Thüringen spürbar umgesetzt werden muss.“
Die Sondierungsgespräche zwischen den drei Parteien haben gezeigt, dass trotz unterschiedlicher ideologischer Ausrichtungen in zentralen Punkten Übereinstimmung herrscht. So bekennt sich das Sondierungspapier zu einer „wettbewerbsorientierten Wirtschaftspolitik“, zur Schuldenbremse und zum Bürokratieabbau. Auch in der Energiepolitik setzt man auf einen technologieoffenen Ansatz. Einigkeit besteht ebenfalls in der Forderung nach einem „Richtungswechsel in der Migrationspolitik“. Diese Punkte, so argumentiert unter anderem Nikolaus Doll in einem Meinungsbeitrag in der Welt vom 24.10.2024, wären mit den Grünen nicht realisierbar und sprächen gegen eine Planwirtschaft.
Ein zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen ist die Friedenspolitik. Wie der MDR am 21.10.2024 berichtete, fordert Sahra Wagenknecht, Bundesvorsitzende des BSW, von der Thüringer CDU eine Distanzierung von Friedrich Merz. Hintergrund ist dessen Forderung nach der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Wagenknecht sieht darin eine faktische Forderung nach einem Kriegseintritt Deutschlands. Die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf betonte gegenüber dem MDR die Wichtigkeit eines Friedens-Bekenntnisses im Koalitionsvertrag und bekräftigte die Forderung ihrer Partei nach stärkeren diplomatischen Bemühungen im Ukraine-Krieg.
Die Verhandlungen gestalten sich dennoch schwierig. Wie die Tagesschau am 25.10.2024 berichtete, stocken die Gespräche zwischen CDU, SPD und BSW sowohl in Thüringen als auch in Sachsen. Das Abstimmungsverhalten des BSW im sächsischen Landtag zum Thema Corona-Untersuchungsausschuss hat zu Irritationen bei der SPD geführt und die Verhandlungen ins Stocken gebracht. Auch in Thüringen ist eine Einigung in der Frage der Friedenspolitik noch nicht absehbar. Trotz dieser Schwierigkeiten betonen die Verhandlungsführer weiterhin die Möglichkeit einer pragmatischen Lösung.
Die mögliche „Brombeerkoalition“ stellt für alle Beteiligten eine Zerreißprobe dar. Für die CDU bedeutet sie die Zusammenarbeit mit einer Partei, deren Bundesvorsitzende ideologisch weit von der Union entfernt steht. Für die SPD ist es ein Balanceakt zwischen pragmatischer Regierungspolitik und der Rücksichtnahme auf die Bedenken in den eigenen Reihen. Und für das BSW ist es die Herausforderung, zwischen den Forderungen der Bundespartei und den Notwendigkeiten der Landespolitik zu vermitteln. Ob der Pragmatismus am Ende die ideologischen Gräben überwinden kann, bleibt abzuwarten.
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