2024 wird voraussichtlich das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die globale Durchschnittstemperatur könnte 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen, ein besorgniserregender Wert, wie der EU-Klimawandeldienst Copernicus berichtet. Heißt das aber, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens nun endgültig verfehlt ist?
Nicht unbedingt. Wissenschaftler und der Weltklimarat (IPCC) definieren die Überschreitung dieser Grenze anhand des Durchschnittswerts über 20 Jahre im Vergleich zum Zeitraum 1850-1900 (dpa). Eine offizielle Feststellung erfolgt somit rückblickend, etwa 10 Jahre später. ZEIT ONLINE erläutert, dass ein Überschreiten um das Jahr 2030 bedeuten würde, dass die Durchschnittstemperatur zwischen 2021 und 2040 über 1,5 Grad liegt.
Nico Wunderling vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) veranschaulicht dies: Liegt der Durchschnitt der Jahre 2021 bis 2040 über 1,5 Grad, gilt die Marke um 2030 als überschritten. Der Weltklimarat erwartet in seinem jüngsten Bericht genau dies. Zum Vergleich: Die Überschreitung der 1-Grad-Marke wurde bereits 2011 festgestellt, basierend auf den Messungen von 2002 bis 2021, wie ein Forscherteam um Richard Betts (Met Office und Universität Exeter) in "Nature" publizierte.
Die Weltwetterorganisation prüft alternative Berechnungsmethoden. Ein kürzerer Messzeitraum (z.B. 10 Jahre) ist aufgrund natürlicher Temperaturschwankungen weniger aussagekräftig. Sie betont aber, dass jeder Bruchteil eines Grades Erwärmung die Risiken und Extremwetterereignisse erhöht, unabhängig davon, ob die 1,5-Grad-Marke über- oder unterschritten wird. tagesschau.de zitiert Samantha Burgess (Vizedirektorin von Copernicus), die die aktuellen Daten als Anstoß sieht, die Ziele für die COP29 zu erhöhen.
Das Pariser Abkommen (2015) strebt eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad an. Diese Werte sind symbolisch wichtig, aber formal nicht exakt definiert, erklärt Klimawissenschaftler Mojib Latif. moment.at betont, dass eine einmalige Überschreitung der 1,5-Grad-Marke nicht gleichbedeutend mit dem Verfehlen des Ziels ist. Relevant ist der langjährige Durchschnitt, nicht ein einzelnes Jahr.
Latif hebt die Trägheit des Klimasystems hervor. Selbst bei sofortigem Stopp der Treibhausgasemissionen steigen die Temperaturen weiter. Der CO₂-Ausstoß fossiler Brennstoffe nimmt weiter zu, eine Trendwende ist nicht in Sicht. Latif prognostiziert pessimistisch: "Wir werden die 1,5 Grad reißen, wir werden auch die 2 Grad reißen." Quarks erwähnt einen Hoffnungsschimmer: Die globalen Emissionen könnten ab 2024 sinken. Damit der Ausbau erneuerbarer Energien die Emissionen aber tatsächlich senkt, müssen fossile Energien reduziert werden.
Studien zeigen eine ungewöhnlich hohe Sonneneinstrahlung in den letzten Jahren, möglicherweise durch weniger niedrig hängende Wolken. Ob der Klimawandel dazu beiträgt, ist unklar. Wäre dies der Fall, könnte die zukünftige Erwärmung stärker ausfallen. Green City sieht die Überschreitung der 1,5-Grad-Marke als Warnsignal und fordert kollektive Anstrengungen und Investitionen in den Klimaschutz.
Auch in Deutschland war 2024 das wärmste Jahr seit Beginn der flächendeckenden Messungen 1881. Die Folgen: häufigere und intensivere Wetterextreme, betont Tobias Fuchs (DWD). RND erklärt, dass das 1,5-Grad-Ziel zwar politisches Instrument und aktivistisches Schlagwort ist, aber kein exakter klimatologischer Kippschalter.
Quellen: