Die Auswirkungen des Holocaust beschränken sich nicht auf die Überlebenden, sondern prägen auch das Leben ihrer Nachkommen tiefgreifend. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 16.12.2024 berichtete, wuchs Stewart Florsheim in Washington Heights, einem von deutsch-jüdischen Emigranten geprägten Viertel New Yorks, mit einer durch die Holocaust-Erfahrungen seiner Eltern bedingten Abneigung gegen Deutschland auf. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie die Traumata und Ängste der Eltern an die Kinder weitergegeben werden und deren Leben beeinflussen.
Diese Weitergabe des Traumas äußert sich häufig in unausgesprochenen Regeln und Verhaltensmustern. Bernice Eisenstein schildert in ihrem Buch "Ich war das Kind von Holocaust-Überlebenden", wie sie sich den Schicksalsgenossen ihrer Eltern näher fühlte als diesen selbst. Sie lernte, den Holocaust als Mittel zur emotionalen Einflussnahme zu nutzen und versuchte, durch die intensive Auseinandersetzung mit der Shoa, eine Verbindung zu dem Leid ihrer Eltern herzustellen. Eisensteins Geschichte, erhältlich auf Amazon, illustriert die komplexen emotionalen Dynamiken in Familien von Holocaustüberlebenden.
Der ZEIT-Podcast "Deutsche Geister" bietet einen weiteren Einblick in die nachhaltigen Folgen des Holocaust. Eine Frau, deren Vater das Warschauer Ghetto überlebte, wird von dem Enkel eines dort stationierten SS-Offiziers kontaktiert. Gemeinsam suchen sie nach der Wahrheit über die Vergangenheit ihrer Familien. Der Podcast wirft die Frage nach dem Umgang der Nachfahren von Tätern und Opfern mit dem Erbe des Holocaust und der Möglichkeit von Versöhnung auf.
Die Psychologin und Holocaustüberlebende Giselle Cychowicz, deren Arbeit der Deutschlandfunk dokumentierte, behandelt seit Jahrzehnten Schoa-Opfer. Sie beobachtet, dass aktuelle Kriege und Terrorakte die alten Ängste und Traumata ihrer Patienten wieder hervorrufen. Die Reaktionen reichen von aggressivem Handlungsbedarf bis zu tiefem Mitgefühl mit den Opfern.
Nadine Olonetzky, Tochter eines Holocaustüberlebenden, verarbeitet die Geschichte ihrer Familie in ihrem Buch "Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist". Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, schildert sie die unausgesprochenen Traumata ihres Vaters und deren Einfluss auf ihre eigene Kindheit. Olonetzkys Geschichte zeigt, wie die Vergangenheit über Generationen hinweg nachwirkt.
Eine auf holocaustliteratur.de präsentierte Studie von Monika Jesenitschnig untersucht die Resilienz von Holocaustüberlebenden anhand der Autobiografien von Ruth Klüger. Die Studie analysiert die Strategien und Ressourcen, die Klüger halfen, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten und ein neues Leben zu beginnen.
Renate Aris, eine der letzten lebenden Holocaust-Überlebenden in Sachsen, teilt im Interview mit MDR Sachsen ihre Erinnerungen an Verfolgung und Diskriminierung während der NS-Zeit. Sie betont die Bedeutung des Erinnerns und Gedenkens, um die Geschichte des Holocaust lebendig zu erhalten, gerade in einer Zeit, in der immer weniger Zeitzeugen berichten können.