Gruselgeschichten am Lagerfeuer, nächtliche Schatten im Wald oder der Besuch eines Spukhauses – der Mensch sucht den Nervenkitzel des Gruselns seit jeher. Doch was genau passiert in unserem Körper und Geist, wenn wir uns fürchten? Und warum empfinden wir diese Form der Angst, trotz ihres unangenehmen Charakters, oft als angenehm? Die Wissenschaft vom Grusel erforscht genau diese Fragen und liefert spannende Einblicke in die menschliche Psyche.
Angst ist eine grundlegende Emotion, die uns vor Gefahren schützt. Wie Pia Heinemann in der FAZ (31.10.2024) berichtet, untersuchten Wissenschaftler der Universität Leiden die physiologischen Reaktionen auf Horrorfilme. Dabei zeigte sich, dass der Körper in Alarmbereitschaft versetzt wird: Der Herzschlag beschleunigt sich, die Atmung wird flacher, die Muskeln spannen sich an. Dieser sogenannte Kampf-oder-Flucht-Modus bereitet uns darauf vor, entweder gegen die Bedrohung zu kämpfen oder vor ihr zu fliehen. Ausschlaggebend für diese Reaktion ist die Amygdala, eine kleine mandelförmige Struktur im Gehirn, die als Angstzentrum fungiert. Sie verarbeitet sensorische Informationen und löst bei Gefahr die beschriebenen körperlichen Reaktionen aus.
Doch warum suchen wir den Grusel freiwillig? Der Erklärbär Blog (7.10.2024) erklärt dies mit der Neugier des Menschen und dem Reiz des Unbekannten. Das, was wir nicht verstehen, fasziniert und verunsichert uns zugleich. Dieses Spiel mit der eigenen Fantasie, das Rätselhafte, erzeugt Spannung und Nervenkitzel. Der Psychologe Markus Huff betont in einem Interview mit Simon Barmann (FAZ, 31.10.2024) die Bedeutung sozialer Medien als "wichtigen Umweltreiz". Auch hier spielt der Grusel eine Rolle, etwa in Form von viralen Horror-Challenges oder Creepypastas.
Britische Mathematiker haben sogar versucht, den Grusel mithilfe einer Formel zu quantifizieren, wie wissenschaft.de (17.8.2004) berichtet. Faktoren wie Spannung, Umgebung, Blutmenge und Realitätsnähe fließen in die Berechnung ein. Filme wie "The Shining" erreichen demnach einen besonders hohen Gruselfaktor. Doch lässt sich das subjektive Empfinden von Grusel tatsächlich auf eine Formel reduzieren?
National Geographic (27.10.2023) berichtet über die therapeutische Wirkung von Horrorfilmen. Das kontrollierte Angsterlebnis kann helfen, Ängste zu bewältigen und die eigene Resilienz zu stärken. Die Konfrontation mit dem Schrecken im sicheren Raum des Kinos oder Wohnzimmers ermöglicht es, mit negativen Emotionen umzugehen und die eigene Angstbewältigung zu trainieren. Die Psychologin Lana Holmes nutzt diesen Ansatz sogar in ihrer therapeutischen Arbeit.
Ein typisches Symptom des Gruselns ist die Gänsehaut. Eugen Wassiliwizky vom Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik erklärt im MDR-Interview (26.11.2021), dass Gänsehaut eine evolutionäre Schutzreaktion ist. Sie diente ursprünglich dazu, das Fell aufzustellen und so das Tier größer und bedrohlicher erscheinen zu lassen. Beim Menschen ist diese Funktion zwar verloren gegangen, die Reaktion auf starke emotionale Reize ist jedoch geblieben. Auch hier spielt die Antizipation eine Rolle: Unser Gehirn versucht ständig, die Zukunft vorherzusagen. Wird es überrascht, etwa durch einen unerwarteten Schreckmoment, reagiert der Körper mit Gänsehaut.
Die Wissenschaft vom Grusel zeigt, dass Angst ein komplexes Phänomen ist, das eng mit unserer Biologie, Psychologie und Kultur verbunden ist. Der Reiz des Unbekannten, die Faszination des Makabren und die Möglichkeit, im sicheren Raum mit Ängsten zu konfrontieren, machen den Grusel zu einem anhaltenden Phänomen der menschlichen Erfahrung.
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