August 31, 2024
Dystopie der Zukunft: Alexander Schimmelbusch und sein Roman Karma

Ein deutscher Houellebecq? Ja, und mehr: Alexander Schimmelbuschs Roman „Karma“

Alexander Schimmelbuschs neuer Roman „Karma“ entführt die Leser in eine dystopische Zukunft, die nicht nur von technologischem Fortschritt, sondern auch von einer tiefen gesellschaftlichen Zerrüttung geprägt ist. Die Handlung spielt im Jahr 2033 und folgt einer Gruppe von hedonistischen Programmierern, die in einer brandenburgischen Wohnsiedlung leben und das Ziel verfolgen, die Weltherrschaft zu erlangen. Diese satirische Betrachtung der digitalen Realität wirft Fragen auf über die Natur des Menschseins und die Rolle der Technologie in unserem Leben.

Die Welt von „Karma“

In Schimmelbuschs fiktiver Zukunft sind autonome Systeme allgegenwärtig und beeinflussen das tägliche Leben der Menschen. Diese Systeme, die nicht mehr unter Namen wie Siri oder Alexa bekannt sind, sondern den deutschen Namen „Dieter“ tragen, steuern die Smart Homes der Bewohner. „Dieter“ ist nicht nur ein einfacher Sprachassistent, sondern ein komplexes System, das in der Lage ist, die atmosphärischen Bedingungen in den Bungalows der Bewohner zu optimieren. Dies geschieht durch eine Vielzahl von Analysen, die von der Körpersprache bis hin zu biologischen Funktionen reichen. Die Technologie wird als eine Art Alleskönner dargestellt, der das Leben der Menschen erleichtern soll, während gleichzeitig die Absurdität und die Gefahren einer solchen Abhängigkeit von Technologie thematisiert werden.

Das Unternehmen Omen SE

Im Mittelpunkt der Geschichte steht das fiktive Unternehmen Omen SE, das sich schnell zu einem der wertvollsten Technologieunternehmen Deutschlands entwickelt hat. Die Programmierer, die für Omen SE arbeiten, leben in einem „Zeitalter der Muße“, in dem sie sich in ihren luxuriösen Bungalows entspannen und an verschiedenen Projekten arbeiten. Diese Projekte reichen von Coaching-Plattformen bis hin zu digitalen Drogenkurieren, die per Drohne liefern. Schimmelbusch nutzt diese satirischen Elemente, um die Absurditäten der modernen Arbeitswelt und den Einfluss von Technologie auf zwischenmenschliche Beziehungen zu beleuchten.

Gesellschaftliche Reflexionen

„Karma“ ist nicht nur eine Erzählung über Technologie, sondern auch eine tiefgehende Reflexion über die Gesellschaft. Die Protagonisten, die in einer scheinbar perfekten Welt leben, sind in Wirklichkeit gefangen in einer postmodernen Hölle, in der sie mit ihrer eigenen Wut und Sehnsucht kämpfen. Schimmelbusch thematisiert die Kluft zwischen den privilegierten Programmierern und der restlichen Bevölkerung, die unter den negativen Folgen der technologischen Entwicklungen leidet. Diese Kluft wird besonders deutlich in der Darstellung der verschiedenen Subunternehmen von Omen SE, die unterschiedliche gesellschaftliche Probleme ansprechen und gleichzeitig deren Absurdität aufzeigen.

Parodien und Anspielungen

Der Roman ist reich an Parodien und Anspielungen auf aktuelle gesellschaftliche und technologische Phänomene. Schimmelbusch spielt mit den Klischees und Stereotypen, die mit der deutschen Kultur und Identität verbunden sind. Die Chefin von Omen SE wird als „Vandalenfürstin“ beschrieben, die eine Vorliebe für deutschen Riesling hat und die Verwendung von Anglizismen in der Unternehmenskommunikation kritisiert. Diese satirischen Elemente dienen dazu, die Absurditäten der modernen Geschäftswelt und die Schwierigkeiten, die mit der deutschen Identität verbunden sind, zu beleuchten.

Ein Vergleich mit Houellebecq

Die Parallelen zu Michel Houellebecq sind unverkennbar. Schimmelbusch gelingt es, die gleiche Art von zynischem Humor und scharfer Beobachtungsgabe zu vermitteln, die Houellebecq in seinen Werken verwendet. Die Darstellung des Hedonismus und der Dekadenz der Protagonisten erinnert an Houellebecqs kritische Betrachtungen der modernen Gesellschaft. Schimmelbusch gelingt es, die Absurdität des Lebens in einer technisierten Welt aufzuzeigen, während er gleichzeitig die tiefen menschlichen Emotionen und Konflikte beleuchtet, die unter der Oberfläche brodeln.

Fazit

„Karma“ ist ein vielschichtiger Roman, der sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt. Schimmelbusch gelingt es, eine dystopische Zukunft zu entwerfen, die sowohl erschreckend als auch faszinierend ist. Die satirische Betrachtung der digitalen Realität und die tiefen gesellschaftlichen Reflexionen machen das Buch zu einem wichtigen Beitrag zur zeitgenössischen Literatur. Leser, die sich für die Auswirkungen von Technologie auf das menschliche Leben interessieren, werden in „Karma“ eine fesselnde und provokante Lektüre finden.

Alexander Schimmelbusch: „Karma“. Roman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2024. 304 S., geb., 24,– €.

Quellen: F.A.Z., Der Standard, WDR Lesestoff, Die Zeit.

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