Die Ampel-Koalition steht erneut im Zentrum eines heftigen Streits. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat ein Papier mit Forderungen zur „Wirtschaftswende“ vorgelegt, das auf erheblichen Widerstand bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne stößt. Wie die Zeit berichtet, haben die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil Lindners Vorschläge deutlich zurückgewiesen (Zeit Online, 02.11.2024). Auch andere Medien wie die Süddeutsche Zeitung berichten über die Ablehnung der Forderungen durch die SPD (Süddeutsche Zeitung, 02.11.2024).
Lindners Papier sieht unter anderem die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, einen Stopp neuer Regulierungen und einen Kurswechsel in der Klimapolitik vor. Er argumentiert, Deutschland schwäche sich selbst durch übermäßige Bürokratie und Regulierung. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken kritisiert, Lindners Vorschläge seien „in der Koalition nicht zu verwirklichen“ und spiegelten lediglich die Position der FDP wider (dpa, via Süddeutsche Zeitung). Auch Lars Klingbeil, Co-Vorsitzender der SPD, lehnt die Ideen ab und betont, die SPD werde Maßnahmen, die die arbeitende Mitte belasten, nicht mittragen (dpa, via Zeit Online).
Die Grünen zeigen sich zurückhaltender in ihrer Kritik, äußern aber ebenfalls Skepsis. Wie die Tagesschau berichtet, bezeichnete Grünen-Politiker Andreas Audretsch Lindners Papier als „Nebelkerze“ (Tagesschau, 02.11.2024). Man sei zwar gesprächsbereit, die Vorschläge müssten aber der Ernsthaftigkeit der Lage gerecht werden.
Besonders die klimapolitischen Forderungen Lindners sorgen für Konfliktpotential. Er plädiert für eine Abkehr von den nationalen Klimazielen und eine Auflösung des Klima- und Transformationsfonds. Diese Position steht im Widerspruch zu den Zielen der Grünen, die einen ambitionierten Klimaschutz fordern. Die FAZ analysiert, Lindners klimapolitische Vorstellungen stünden im „krassen Widerspruch“ zu den Maßnahmen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) (FAZ, 02.11.2024).
Lindners Vorgehen erinnert einige Beobachter an das sogenannte Lambsdorff-Papier von 1982, das zum Bruch der sozial-liberalen Koalition führte. Damals hatte der FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff ein ähnliches Papier mit wirtschaftspolitischen Forderungen vorgelegt, das von der SPD abgelehnt wurde. Ob Lindners Schreiben ein ähnliches Schicksal ereilt, bleibt abzuwarten. Die FAZ sieht in Lindners Papier jedenfalls das Potenzial für einen „Scheidungsbrief“ (FAZ, 02.11.2024). Die NZZ verweist ebenfalls auf die Parallelen zum Lambsdorff-Papier und die damit verbundenen Spekulationen über ein mögliches Ende der Ampel-Koalition (NZZ, 02.11.2024).
Neben der Klimapolitik gibt es weitere Streitpunkte innerhalb der Koalition, wie die Finanzierung des Haushalts und die Migrationspolitik. Lindner fordert unter anderem Kürzungen im Sozialbereich, die von der SPD abgelehnt werden. Das nd berichtet über Lindners Sparpläne und die Befürchtung, er wolle einen Koalitionsbruch provozieren (nd, 01.11.2024). Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Ampel-Partner einen Kompromiss finden oder ob der Streit zur Eskalation und einem möglichen Bruch der Koalition führt.