September 17, 2024
Trumps Zickzackkurs zur Briefwahl und seine Auswirkungen auf die Wahlen 2024
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Donald Trump stützt seinen Vorwurf des Wahlbetrugs 2020 maßgeblich auf die Briefwahl. Doch die Republikaner haben gelernt, wie bitter nötig diese Stimmen sein können. Donald Trump arbeitet seit Monaten daran, wie er das Wahlergebnis anzweifeln könnte, sollten ihn die Amerikaner im November nicht ein zweites Mal zum Präsidenten wählen.

In der vergangenen Woche ließ der republikanische Präsidentschaftskandidat während des Fernsehduells gegen Kamala Harris abermals eine Gelegenheit verstreichen, die verlorene Wahl 2020 anzuerkennen. Stattdessen sagte er, die Wahlen in den Vereinigten Staaten seien „schlecht“, es habe damals koordinierten Betrug gegeben.

Ein Einfallstor für diese Behauptung ist für Trump seit Jahren das sogenannte early voting, das im Laufe des September in vielen Bundesstaaten beginnt, und bei dem Wähler schon vor der Präsidentenwahl am 5. November ihre Stimme abgeben können. Doch die Republikaner haben in den vergangenen Jahren gelernt, dass es fahrlässig wäre, die Chance auf frühe Wahlstimmen zu vergeben.

Und so verbreiten die Partei und Trump in diesem Wahlkampf eine gemischte Botschaft: Trump wechselt zwischen dem Aufruf zum frühen Wählen und Betrugsbehauptungen, während die Republikaner in vielen Bundesstaaten bemüht sind, sich die Stimmen der Wähler möglichst früh zu sichern.

Im Frühjahr rief Trump in einem Video und in mehreren Posts in den sozialen Netzwerken denn auch plötzlich zur Briefwahl auf. Vorzeitiges Wählen und das Wählen am Wahltag seien „alles gute Optionen“, schrieb er im April in Großbuchstaben auf Truth Social. Die Republikaner müssten einen Plan machen, sich registrieren und wählen.

Das klang vor vier Jahren noch ganz anders. Im September 2020, knapp vier Monate bevor seine Anhänger wegen angeblichen Wahlbetrugs das Kapitol stürmten, äußerte der damalige Präsident, Briefwahl sei „Betrug“. Wegen Betrügern sei sie „sehr gefährlich für dieses Land“, die Stimmen würden eingesammelt und in vielen Fällen manipuliert. In den vergangenen Wochen hat er sich nun wieder vermehrt auf diese Behauptungen verlegt.

Trumps Trauma mit der Auszählung in Pennsylvania

Wie entscheidend „early voting“ mitunter ist, zeigt sich unter anderem im wichtigen Swing State Pennsylvania, in dem der Prozess an diesem Montag beginnt. Dort musste Trump vor vier Jahren erfahren, welchen Einfluss früh abgegebene Stimmen und Briefwahlstimmen haben können. Es war das erste Jahr der Pandemie und mehr als 100 Millionen Amerikaner – zwei Drittel der Wählerschaft – gaben vorzeitig persönlich oder per Briefwahl ihre Stimmen ab, nachdem die Möglichkeit dazu in den meisten Staaten erweitert worden waren.

Für Trump schien es am Wahltag zunächst, als entschiede er das Rennen in Pennsylvania für sich. Weil die meisten seiner Anhänger persönlich am Wahltag ihre Stimme abgaben, sahen die Hochrechnungen Trump vorn. Dann kamen am Abend die ersten Ergebnisse der Auszählung der Briefwahlstimmen. Vier Tage nach der Wahl war schließlich klar, dass Biden Pennsylvania mit knapp 80.000 Stimmen Vorsprung und damit auch die Präsidentenwahl gewonnen hatte.

Klagen durch Republikaner, es habe Wahlbetrug gegeben, wiesen mehrere Gerichte wegen fehlender Beweise zurück. Doch für einige Amerikaner, die zu Zeiten kaum existenter Briefwahl ein Ergebnis am Abend des Wahltags gewöhnt waren, blieb ein Geschmäckle, das Trump seither mit Lügen über Wahlbetrug befeuert. Trotzdem wissen die Republikaner, dass es in diesem Jahr gilt, ein solches Debakel zu verhindern. Das gilt umso mehr, als viele wichtige Swing States nach aktuellen Umfragen mit knapper Mehrheit gewonnen werden dürften – da wiegt jede abgegebene Stimme.

In Arizona gingen frustrierte Wähler heim, ohne abzustimmen

In der republikanischen Partei spricht man von einer „Korrektur des Narrativs“, um den Kurswechsel zu erklären. Man müsse sich den „Spielregeln“ der Demokraten anpassen – eine Formulierung, die wiederum suggeriert, es gebe dort unerlaubte Einflussnahme. Der Abgeordnete und Trump-Anhänger Scott Perry aus Pennsylvania äußerte im Frühjahr, dieses Mal müsse man es richtig machen mit den Briefwahlstimmen, „für diejenigen, die es am Wahltag nicht schaffen“.

Wie die Skepsis gegenüber der Briefwahl den Republikanern schaden kann, zeigte sich bei einem Zwischenfall im Jahr 2022 in Arizona. Die Spitzenkandidaten hatten Trumps Lügen über die Unzuverlässigkeit des „early votings“ wiederholt und zur persönlichen Stimmabgabe am Wahltag aufgefordert. Dann kam es in einem Drittel der Wahllokale zu Problemen mit den Wahlmaschinen, die zu langen Schlangen führten. Wähler gingen frustriert nach Hause, ohne ihre Stimme abzugeben. Der republikanische Kandidat für den Justizministerposten etwa verlor damals mit fünfhundert Stimmen.

Inzwischen schicken auch die Republikaner die Anträge für Briefwahl an ihre Wähler, versenden Nachrichten mit dem Aufruf zur frühen Wahl und verweisen auf die Bedeutung der vorzeitigen Stimmabgabe. In Pennsylvania zeigte das bei den Vorwahlen allerdings noch wenig Wirkung. Laut dem Wahlbeauftragen des Bundesstaates machten Briefwahlstimmen ein Viertel der abgegebenen Stimmen für die Republikaner aus, wie auch schon im Jahr 2020.

Streit um die richtige Datierung

Der Bundesstaat selbst beugt Falschbehauptungen über die Wahlprozesse vor. Auf der Website heißt es etwa, es sei kein Beweis für Betrug, wenn das endgültige Ergebnis nicht in der Wahlnacht schon verfügbar ist. Dabei wird speziell auf die Briefwahlstimmen hingewiesen: Die dürfen nach geltendem Gesetz nämlich nicht vor 7 Uhr morgens am Wahltag geöffnet werden.

Sie würden also parallel zum Wahlgeschehen in 9000 Wahllokalen gezählt; das Ergebnis würde von acht Uhr am Abend an in Schüben bekannt gegeben. Nach der Wahl vor vier Jahren scheiterten die Republikaner mit mehr als sechzig Gerichtsverfahren in verschiedenen Bundesstaaten, mit denen sie das Ergebnis wegen angeblichen Wahlbetrugs anfechten wollten.

Der Streit über den Zugang zur vorgezogenen Stimmabgabe wird längst auch juristisch geführt. In Pennsylvania etwa entschied der oberste Gerichtshof am Freitag, dass Briefwahlzettel nicht gezählt werden dürfen, wenn die Umschläge nicht korrekt datiert sind. Ein niedrigeres Gericht hatte das nicht als Ausschlusskriterium gewertet und auf das verfassungsmäßige Recht zu wählen hingewiesen. Die Republikaner feierten die Entscheidung des Obersten Gerichts als Sieg für die Integrität der Wahlen. Demokratische Interessengruppen wiederum gaben an, weitere rechtliche Schritte zu prüfen.

Andere Regeln je nach Bundesstaat

Die Zahl der Amerikaner, die vor der Wahl ihre Stimme abgeben können, ist in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gestiegen. Laut dem „Center for Election Innovation and Research“ waren es 2000 nur rund 40 Prozent aller Wähler; nun hätten jedoch mindestens 97 Prozent die Chance auf „early voting“. 46 von fünfzig Bundesstaaten sowie der Hauptstadtbezirk Washington D.C. erlauben dies in der einen oder anderen Form.

Die Regeln für die vorzeitige Stimmabgabe legt dabei jeder Bundesstaat selbst fest. Acht Bundesstaaten schicken Briefwahlunterlagen an alle registrierten Wähler. Ursprünglich mussten Amerikaner, die am Wahltag nicht zu Urne gehen konnten, die Unterlagen extra beantragen. In 14 Bundesstaaten müssen sie immer noch einen Grund dafür angeben, nicht persönlich am Wahltag zu wählen.

Einigerorts ist es auch möglich, persönlich seine Briefwahl Stimme auszufüllen und sofort abzugeben. Laut einer jüngsten Umfrage vertrauen gut sechzig Prozent der Amerikaner dem Wahlprozess in ihrem Land sehr oder einigermaßen. Doch die Erhebung des Pew Research Center zeigt auch, dass die Erzählung der Republikaner gefruchtet hat. Weniger als die Hälfte der befragten Republikaner gab demnach an, sie glaubten an faire Wahlen.

Insgesamt zeigt sich, dass Trumps Zickzackkurs zur Briefwahl sowohl strategische als auch kommunikative Aspekte beinhaltet. Während er einerseits die Möglichkeit der Briefwahl propagiert, um Wähler zu mobilisieren, bleibt gleichzeitig die Skepsis gegenüber dem System bestehen, die er in der Vergangenheit geschürt hat. Diese Ambivalenz könnte sich als entscheidend für den Ausgang der kommenden Wahlen erweisen.

Quellen: FAZ, ZEIT ONLINE, Tagesschau, Süddeutsche Zeitung.

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