September 21, 2024
Brandenburgs wirtschaftlicher Aufschwung im Fokus

Auf der Suche nach dem Brandenburg-Tempo

Brandenburg hat sich in den letzten Jahren zu einer der am schnellsten wachsenden Regionen Deutschlands entwickelt. Die wirtschaftliche Dynamik des Landes, das im Osten Deutschlands liegt, ist bemerkenswert. In den vergangenen drei Jahren zählte Brandenburg mehrfach zu den fünf Bundesländern mit dem höchsten Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts.

Im Jahr 2023 verzeichnete Brandenburg ein Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent, während die gesamtdeutsche Wirtschaft in der gleichen Periode schrumpfte. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern wuchs schneller als Brandenburg. Besonders auffällig ist das Wachstum im produzierenden Gewerbe, wo Brandenburg inflationsbereinigt ein Plus von 6,3 Prozent meldete, während der bundesweite Durchschnitt um 1,5 Prozent zurückging.

Die Rolle von Tesla

Ein entscheidender Faktor für die positive wirtschaftliche Entwicklung ist das Unternehmen Tesla. Seit dem Frühjahr 2022 produziert der amerikanische Elektroautohersteller in Grünheide, nur wenige Kilometer von Berlin entfernt, bis zu 6000 Fahrzeuge pro Woche. Diese Ansiedlung hat unmittelbare Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft, die mit 2,5 Millionen Einwohnern und einer vergleichsweise geringen Wirtschaftskraft auf solche Investitionen angewiesen ist.

Der Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes in Brandenburg stieg von 2021 bis 2023 um über 40 Prozent auf mehr als 40 Milliarden Euro. Während die Automobilindustrie 2021 nur 5 Prozent zum Umsatz beitrug, waren es im vergangenen Jahr fast 25 Prozent. Dies zeigt den enormen Einfluss, den Tesla und die Elektromobilität auf die wirtschaftliche Landschaft Brandenburgs haben.

Wirtschaftliche Perspektiven

Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) äußerte bereits die Vision, dass Brandenburg sich ähnlich wie Bayern von einer ländlich geprägten Region zu einem erfolgreichen Industriestandort entwickeln könne. Der Standort bietet viel Platz für industrielle Ansiedlungen und eine hervorragende Versorgung mit erneuerbaren Energien. Im Jahr 2023 wurden über 200 Investitionsprojekte mit einem Volumen von 2,5 Milliarden Euro und fast 6000 neuen Arbeitsplätzen registriert.

Nach der Ansiedlung von Tesla folgten Investitionen in die Elektromobilität, unter anderem von BASF in Schwarzheide und dem amerikanischen Unternehmen Microvast in Ludwigsfelde. Ein weiterer Schwerpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung liegt im Gesundheitssektor, mit Ansiedlungen wie Helaxa in Luckenwalde. Zudem gewinnen Investitionen in Rechenzentren an Bedeutung, wobei Amazon plant, bis 2040 rund 8 Milliarden Euro in Brandenburg zu investieren und 3000 neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Politische Entwicklungen und Herausforderungen

Im Vorfeld der Landtagswahl in Brandenburg, die am Sonntag stattfindet, zeigt sich die politische Stimmung im Land ähnlich wie im Rest Deutschlands. Es wird erwartet, dass die rechtspopulistische AfD im Landtag in Potsdam eine bedeutende Rolle spielen könnte. Sollte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Wahl gewinnen, könnte er auf die Unterstützung von Sahra Wagenknecht angewiesen sein, um eine Mehrheit zu sichern.

Im Wahlkampf betonte Woidke die Erfolge seiner Bemühungen um Neuansiedlungen. Dennoch hat das „Tesla-Tempo“, das die Landesregierung 2019 als Maßstab ausgerufen hatte, nicht alle Regionen Brandenburgs erreicht.

Wirtschaftliche Disparitäten innerhalb Brandenburgs

Ein Beispiel für die wirtschaftlichen Herausforderungen innerhalb des Landes ist die Stadt Schwedt, wo Peter Probst, der Geschäftsführer des Papierherstellers Leipa, die Situation treffend beschreibt: „In Schwedt sind wir ein bisschen wie auf dem Mond.“ Trotz der Nähe zur Hauptstadtregion fühlt sich Schwedt oft isoliert und von den wirtschaftlichen Fortschritten in anderen Teilen Brandenburgs abgekoppelt.

Leipa, ein traditionsreiches Unternehmen, hat sich nach der Wende neu orientiert und seinen Hauptsitz von Bayern nach Schwedt verlegt. Dennoch sieht sich das Unternehmen mit Herausforderungen konfrontiert, darunter hohe Energiepreise und eine rückläufige Nachfrage nach grafischem Papier. Probst betont, dass die Nachfrage nach Verpackungspapier ebenfalls schleppend sei, was die Zukunft des Unternehmens in Frage stellt.

Geopolitische Einflüsse

Die geopolitische Lage hat ebenfalls Auswirkungen auf die wirtschaftliche Stabilität in Schwedt. Die PCK Raffinerie, der größte Arbeitgeber in der Region, kann aufgrund der Sanktionen gegen Russland kein russisches Öl mehr verarbeiten. Dies hat die Region stark getroffen, und es gibt Bestrebungen, einen Käufer für die Raffinerie zu finden, möglicherweise aus Katar. Monique Zweig, Hauptgeschäftsführerin der IHK Ostbrandenburg, betont, dass Stabilität in der Region dringend erforderlich sei.

Positive Entwicklungen im Umland von Berlin

Andreas Schulz, Vorstandsvorsitzender der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, hebt hervor, dass die Stimmung in der Region oft schlechter wahrgenommen wird als die tatsächliche Lage. In den letzten Jahren hat das Umland von Berlin erheblich von Neuansiedlungen und dem wirtschaftlichen Aufschwung der Hauptstadt profitiert. Die Dynamik in den Landkreisen, die an Berlin und Potsdam grenzen, ist stark ausgeprägt.

Die wirtschaftliche Entwicklung in Brandenburg könnte durch den Ausstrahlungseffekt Berlins weiter verstärkt werden. Hanno Kempermann, Geschäftsführer von IW Consult, sieht großes Potenzial für die Städte der zweiten Reihe, die zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Strukturwandel und Energiewende

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Strukturwandel in der Lausitz, wo der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 beschlossen wurde. Der Energiekonzern Leag plant, sich bis dahin zum größten Produzenten von Grünstrom in Deutschland zu entwickeln und investiert dafür mehr als eine Milliarde Euro jährlich.

Zusätzlich fließen über zehn Milliarden Euro aus der Strukturförderung in die Lausitz, um Projekte wie das ICE-Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn in Cottbus zu realisieren, das mehr als 1000 Arbeitsplätze schaffen soll. Diese Entwicklungen sind entscheidend, um den demografischen Herausforderungen in ländlichen Regionen Brandenburgs zu begegnen, wo die Bevölkerung älter wird und schrumpft.

Fazit

Brandenburg hat sich in den letzten Jahren als Wachstumsstar in Deutschland etabliert, doch die Herausforderungen sind vielfältig. Während einige Regionen von der wirtschaftlichen Dynamik profitieren, kämpfen andere mit strukturellen Problemen und geopolitischen Unsicherheiten. Die kommenden politischen Entscheidungen werden entscheidend dafür sein, ob Brandenburg weiterhin auf Wachstumskurs bleibt und die positiven Entwicklungen nachhaltig gesichert werden können.

Die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs ist ein komplexes Zusammenspiel von regionalen Stärken, politischen Rahmenbedingungen und globalen Einflüssen. Die nächsten Schritte werden entscheidend sein, um das „Brandenburg-Tempo“ zu halten und die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Quellen: FAZ, FAZ, WFBB, rbb24.

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