Die Frage nach dem Fortbestand der Ampel-Koalition dominiert die politische Landschaft. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) berichtet, hängt der Fortbestand der Regierung an den aktuellen Haushaltsverhandlungen. Der 14. November, der Tag der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, könnte zum Schicksalstag der Koalition werden. Schrumpfende Steuereinnahmen und steigende Sozialausgaben erschweren die Lage, wie auch im Vorjahr, als das Bundesverfassungsgericht eine Haushaltslücke monierte. Die aktuelle Steuerschätzung verschärft die Situation zusätzlich, da weitere 13 Milliarden Euro fehlen.
Finanzminister Christian Lindner hat mit einem 18-seitigen Papier zur „Wirtschaftswende“ seine Vorstellungen präsentiert, die von der Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis zu Änderungen in der Klimapolitik reichen. Wie die F.A.S. weiter ausführt, sorgte die Veröffentlichung des Papiers, die Lindner auf Indiskretionen von SPD und Grünen zurückführt, für zusätzlichen Unmut. Die Reaktionen der Koalitionspartner fielen zunächst verhalten aus, um der FDP keinen Anlass für einen Koalitionsbruch zu geben.
Lindners Vorschläge, insbesondere die Finanzierung von Steuersenkungen für höhere Einkommen durch Einsparungen beim Bürgergeld, werden von SPD und Grünen als Provokation empfunden. Die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahmen erscheinen im Vergleich zu den Subventionen für die Chipfabrik in Magdeburg, die nun zur Haushaltskonsolidierung genutzt werden können, gering. Auch betont das Kanzleramt, dass die Gipfeltreffen des Kanzlers mit Industrie und Gewerkschaften nicht auf teure Ausgabenprogramme abzielen. Der Konflikt um die Wirtschaftsbelebung und die Haushaltsberatungen verlaufen derzeit merkwürdig unverbunden, so die F.A.S.
Innerhalb von SPD und Grünen wird Lindners Papier als Indiz dafür gewertet, dass er an einem Kompromiss nicht interessiert ist und einen Ausstieg der FDP aus der Koalition vorbereitet. Die Haushaltsberatungen wären die letzte Möglichkeit vor der Bundestagswahl. Nach einem Beschluss des Haushalts im Bundestag wäre ein Austritt kaum noch zu rechtfertigen. Es bleibt abzuwarten, wie weit der Einfluss des Kanzlers reicht und welche Kompromisse die Grünen bereit sind einzugehen.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) positionierte sich in einem Gastbeitrag für die F.A.Z. klar für den Erhalt der Koalition und kritisierte damit indirekt die Haltung seines Parteivorsitzenden. Die Debatte um die Strukturschwäche der deutschen Wirtschaft verläuft parallel zu den Haushaltsverhandlungen. Das Kanzleramt betont, dass die Treffen des Kanzlers mit Wirtschaftsvertretern keine Auswirkungen auf den Haushalt haben sollen. Der Vorschlag von Wirtschaftsminister Habeck für einen Sonderfonds für Investitionsprämien ist ohnehin nicht für die laufende Wahlperiode vorgesehen.
Neben den innerdeutschen Entwicklungen spielt auch das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl eine Rolle. Ein möglicher Wahlsieg von Donald Trump oder anhaltende Unruhen nach der Wahl könnten einen Koalitionsbruch in Deutschland zusätzlich belasten, so die Einschätzung innerhalb von SPD und Grünen.
Historische Parallelen zur Weimarer Republik werden gezogen, insbesondere zum Bruch der letzten parlamentarischen Koalition im Jahr 1930. Damals führten mangelnde Kompromissbereitschaft und der Druck verschiedener Interessengruppen zur Handlungsunfähigkeit der Regierung.
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, äußerte sich der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer besorgt über die Haushaltslage und betonte die Notwendigkeit eines verfassungskonformen Haushalts. Er sieht die Globale Minderausgabe als größte Herausforderung und fordert Kürzungen in allen Ressorts. Meyer kritisiert zudem die hohen Ausgaben für das Bürgergeld und die Zuschüsse an die Deutsche Bahn. Er betont die Bedeutung der Wachstumsinitiative der Regierung für den Haushalt und warnt vor einem Koalitionsbruch, sollte keine Einigung erzielt werden.
t-online berichtet über Bedenken von Experten hinsichtlich der Verfassungskonformität des Haushaltskompromisses. Die geplante Umschichtung von Geldern der KfW sowie die Darlehen an die Deutsche Bahn und die Autobahngesellschaft werden kritisch gesehen. Das Finanzministerium sieht Sparpotenzial bei den konsumtiven Ausgaben und im Sozialbereich, was jedoch auf Widerstand bei SPD und Grünen stoßen dürfte. Der Zeitplan für die Haushaltsberatungen ist eng.
Die Tagesschau zitiert Außenministerin Annalena Baerbock, die vor einem Koalitionsbruch warnt und appelliert, die Probleme gemeinsam zu lösen. Sie sieht die aktuelle Situation aufgrund des Krieges in Europa als Notlage, die eine Aussetzung der Schuldenbremse rechtfertigen würde. Die SPD betont die Notwendigkeit von Investitionen in innere Sicherheit, Rente und Gesundheitsversorgung und befürwortet die Vorschläge von DGB und BDI für ein Sondervermögen. Die FDP lehnt zusätzliche Kredite ab und fordert stattdessen Einsparungen im Sozialbereich.
Der MDR berichtet über Lindners Unzufriedenheit mit dem Haushaltsentwurf und die Kritik der Union, die den Entwurf als unrealistisch und unehrlich bezeichnet. Lindner verteidigt die geplanten Investitionen und Entlastungen bei der Einkommensteuer und betont die Bedeutung der Schuldenbremse.
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