Das klassische Marionettentheater übt auch im digitalen Zeitalter noch immer einen ganz besonderen Zauber auf die Menschen aus. Davon zeugt die Erfolgsgeschichte der „Holzköppe“, einer Puppenbühne aus dem osthessischen Steinau, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, gehört die Bühne damit zu den ältesten ihrer Art in Deutschland.
Ihr Kernpublikum sind Kinder, die von den Aufführungen klassischer Märchen der Gebrüder Grimm begeistert sind. Doch auch für Erwachsene haben die „Holzköppe“ ein Angebot: Goethes „Dr. Faust“ steht auf dem Spielplan. Die Nachfrage nach den Aufführungen sei ungebrochen, berichtet Bühnenchef Mario Magersuppe der FAZ. Gemeinsam mit seiner Frau Wencke Wiest führt er die Familientradition fort und verzaubert Groß und Klein mit den liebevoll gestalteten Marionetten.
„Die Kinder sind bei unseren Aufführungen immer voll dabei“, erzählt Wencke Wiest der FAZ. „Die Stücke dauern alle so um die 50 Minuten. Die Kinder sind die ganze Zeit ruhig und konzentriert.“ Auch im Zeitalter von Smartphones und Tablets sei die Faszination für das Puppenspiel ungebrochen. „Wenn das Rumpelstilzchen kommt, ist immer ein großes Hallo“, so Mario Magersuppe.
Besonders schön sei es zu beobachten, wie sich inzwischen mehrere Generationen im Publikum zusammenfinden. „Viele Großeltern sitzen mit ihren Enkeln im Publikum und schauen sich die Stücke an, die sie früher als Kind selbst gesehen haben“, berichtet Wencke Wiest, die hauptberuflich als Lehrerin arbeitet und ihren Mann in ihrer Freizeit tatkräftig unterstützt.
Die Geschichte der „Holzköppe“ ist eine Geschichte von Leidenschaft und Tradition. Mario Magersuppes Großvater Karl kaufte die Bühne 1924 von einer Göttinger Studententruppe und beschloss, Puppenspieler zu werden. Von Kassel aus zog es die Bühne zunächst nach Rotenburg und schließlich nach Steinau, wo 1955 die erste Vorstellung gegeben wurde. 2001 übernahm Mario Magersuppe die Leitung der „Holzköppe“ nach dem Tod seines Vaters. „Das Theater liegt mir sehr am Herzen“, sagt der 44-Jährige. „100 Jahre Theatergeschichte sollte man nicht einfach aufgeben.“
Doch der Weg der „Holzköppe“ war nicht immer einfach. Seit 2017 ist die Bühne heimatlos, nachdem es nach der Renovierung des Theaters in Steinau zu Meinungsverschiedenheiten mit der Stadt kam. Seitdem sind die „Holzköppe“ als Wanderbühne unterwegs, was mit großem Aufwand verbunden ist. „Wir haben zwei bis drei Stunden Aufbau und anderthalb bis zwei Stunden Abbau für eine Stunde Spiel. Das ist einfach nicht rentabel“, erklärt Wencke Wiest.
Trotz der Herausforderungen blicken Mario Magersuppe und Wencke Wiest optimistisch in die Zukunft. Sie haben ein Grundstück in Steinau gekauft, auf dem sie ein neues, festes Theater errichten wollen. „Geplant ist, dass wir im nächsten Sommer auf dem Grundstück erst einmal mit einem Zelt starten. Sobald wir dann ein bisschen Geld eingespielt haben, wird dann wieder ein Theatergebäude gebaut“, erklärt Wiest. Bis dahin touren die „Holzköppe“ weiter durch die Lande und verzaubern ihr Publikum mit den klassischen Geschichten und dem einzigartigen Charme des Marionettentheaters.
Die anhaltende Faszination für das Marionettentheater ist ungebrochen, wie auch Kora Tscherning vom Verband Deutscher Puppentheater bestätigt. „Die scheinbare Lebendigkeit von Marionetten berührt die Zuschauerinnen und Zuschauer heute wie damals unmittelbar“, wird sie von der dpa zitiert. Obwohl sich die Zuschauer bewusst seien, dass es sich bei den Marionetten um leblose Objekte handele, entstehe der Eindruck, dass die Figuren selbstständig agieren. Dieses „kleine Wunder“ mache den Reiz des Puppentheaters aus und sorge dafür, dass die Zuschauer das Theater mit einem Gefühl der Lebendigkeit verlassen. „Deshalb behält Puppentheater in all seiner Vielfältigkeit auch im Zeitalter von digitalen Medien seinen Reiz für Kinder wie auch Erwachsene. Es ist eine unmittelbare Kunst, im wahrsten Sinne des Wortes ein Erlebnis.“
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