Der Krieg in der Ukraine hat die Sicherheitsdebatte in Deutschland neu entfacht. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) berichtet, entscheiden sich zunehmend auch Zivilisten ohne vorherige militärische Erfahrung für eine Ausbildung bei der Bundeswehr, insbesondere für die Reserve. Dieser Trend zeigt eine veränderte Wahrnehmung der Sicherheitslage und eine wachsende Bereitschaft, Verantwortung für die Landesverteidigung zu übernehmen.
Die F.A.S. porträtiert zwei „Ungediente“, die sich für die Reserve der Bundeswehr ausbilden lassen: Nora Breyer, eine 60-jährige Sparkassen-Mitarbeiterin, und David Uhly, ein 40-jähriger Gymnasiallehrer. Beide beschreiben ihre Entscheidung als naheliegend und wenig außergewöhnlich, motiviert durch den Krieg in der Ukraine und die Frage: „Was täten wir, wenn wir angegriffen würden?“. Für Breyer bedeutet die Verteidigung der „Werte unserer freien Gesellschaft“ Heimat.
Die Aufstellung neuer Heimatschutzregimenter, wie im Oktober in Wiesbaden, unterstreicht die Bedeutung der Reserve für die Landesverteidigung. Diese Regimenter, bestehend aus Reservisten, übernehmen Aufgaben wie den Schutz kritischer Infrastruktur und die Bewachung von Kasernen. Sie kommen zum Einsatz, wenn die regulären Truppen anderweitig gebunden sind, beispielsweise an der NATO-Ostflanke. Ein Szenario, das vor dem Ukrainekrieg für viele Deutsche undenkbar war.
Die „Zeitenwende“, ausgerufen von Bundeskanzler Scholz, markierte einen Wendepunkt in der deutschen Sicherheitspolitik. Die Bundeswehr erhält mehr finanzielle Mittel und gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Die Pläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius zur Einführung eines neuen, freiwilligen Wehrdienstes sind ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Der Bedeutungsverlust der Bundeswehr nach dem Kalten Krieg, trotz Auslandseinsätzen wie im Kosovo, Afghanistan und Mali, wurde durch den russischen Angriffskrieg abrupt gestoppt. Die sinkenden Bundeswehretats, die zuvor kaum jemanden störten, wurden hinterfragt. Die Frage nach der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands rückte in den Vordergrund.
Die Bundeswehr reagierte auf diese Entwicklung mit dem Aufruf zum Aufbau von Heimatschutzregimentern und sprach dabei explizit auch Ungediente an. Das Pilotprojekt „Ausbildung Ungedienter für die Reserve“ bietet eine komprimierte Grundausbildung in zwei Blöcken à zehn Tagen an.
Die Bereitschaft zur militärischen Ausbildung spiegelt einen gesellschaftlichen Wandel wider. Vom Pazifismus der 80er und 90er Jahre, geprägt von Friedensdemonstrationen und der Diskussion über die Bezeichnung von Soldaten als „Mörder“, hin zu einer wachsenden Akzeptanz militärischer Mittel zur Landesverteidigung.
Die Frage nach dem Umgang mit Krieg und Gewalt bleibt komplex. Das Völkerrecht, wie im Hanisauland-Lexikon erläutert, verbietet Angriffskriege und regelt das Verhalten im Krieg. Die Genfer Konventionen schützen Zivilisten und Kriegsgefangene. Doch die Realität zeigt, dass diese Regeln oft gebrochen werden. Der Gewaltforscher Thomas Elbert erklärt in einem SWR-Interview die psychobiologischen Mechanismen, die zu Gräueltaten im Krieg führen können, von Propaganda und Angst bis hin zum „Blutrausch des Kampfes“.
Ein Interview mit einem belarussischen Soldaten, der auf ukrainischer Seite in der Region Kursk kämpft (n-tv), schildert die Realität des Krieges aus der Perspektive eines Soldaten. Er berichtet von den niedrigen Verlusten auf ukrainischer Seite, dem Mitleid mit den jungen russischen Wehrpflichtigen und der strikten Anweisung, die Zivilbevölkerung zu schützen. Gleichzeitig betont er die Notwendigkeit, den Feind zu bekämpfen.
Die Frage "Zivilisten als Soldaten: Was täten wir, wenn wir angegriffen würden?" erhält durch die aktuellen Entwicklungen eine neue Dringlichkeit. Die Antworten darauf sind vielfältig und reichen von der Ausbildung bei der Bundeswehr bis hin zur Auseinandersetzung mit den ethischen und psychologischen Dimensionen von Krieg und Gewalt.
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