September 10, 2024
Pierre-Jean Mariette und sein bleibendes Erbe in der Kunstgeschichte

Kunstsammler Pierre-Jean Mariette: Sein Sieg über die Zeit

Vor 250 Jahren, im Jahr 1774, starb Pierre-Jean Mariette, ein herausragender Kunstsammler und einer der Begründer der modernen Kunstgeschichte, in Paris. Mariette gilt als der größte Sammler von Zeichnungen und Grafiken seiner Zeit und hinterließ ein bedeutendes Erbe, das bis heute nachwirkt.

Frühes Leben und Ausbildung

Pierre-Jean Mariette wurde 1694 in der Rue Saint-Jacques in Paris geboren, einem Zentrum des gedruckten Wortes und der grafischen Kunst im 17. und 18. Jahrhundert. Er entstammte einer angesehenen Familie von Kupferstechern und Verlegern. Sein Großvater und sein Vater, beide ebenfalls Pierre Mariette, prägten seine frühen Jahre und führten ihn in die Geheimnisse des Kunsthandels ein.

Nach seiner Schulzeit bei den Jesuiten und einer Ausbildung im Zeichnen und in der Druckgrafik wurde Mariette 1717 nach Wien geschickt. Dort ordnete er die bedeutende Sammlung des berühmten Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen und studierte die kaiserliche Sammlung in der Hofbibliothek. Diese Erfahrungen eröffneten ihm neue Perspektiven und Kontakte, die er während seiner Reisen durch Italien weiter vertiefte.

Einflussreiche Kontakte und literarische Tätigkeit

Mariette reiste 1718/19 durch Italien und knüpfte Kontakte zu Künstlern, Sammlern und Händlern. Diese Begegnungen und der Austausch mit Persönlichkeiten wie dem Sammler Pierre Crozat und dem Kunstschriftsteller Comte de Caylus beeinflussten seine Entwicklung als Autor und Kunsthistoriker. Seine eigene künstlerische Produktion trat zunehmend in den Hintergrund, während er sich mit der Kunst großer Vorbilder und Zeitgenossen beschäftigte.

Mariette veröffentlichte zahlreiche Texte über Künstler und Mappenwerke, die als Sammlungen von Reproduktionen grafischer Arbeiten nach Originalen dienten. Er war ein Pionier der wissenschaftlichen Einordnung von Kunstwerken, lange bevor die Disziplin Kunstgeschichte formal etabliert wurde.

Die Sammlung von Druckgrafiken und Zeichnungen

Mariette war ein herausragender Sammler, dessen Kollektion nahezu zehntausend Werke umfasste. Diese bestanden vor allem aus italienischen und französischen, aber auch aus flämischen, niederländischen, deutschen und spanischen Arbeiten. Zu seinen Schätzen gehörten Werke von Künstlern wie Raffael, Rubens und Rembrandt. Er vertrat die Ansicht, dass sich das Künstlertemperament in der Zeichnung unvermittelter äußere als in der Malerei.

Sein besonderes Augenmerk galt Blättern, die zuvor in der Sammlung Crozats oder gar Vasaris zu finden waren. Diese Werke waren für ihn von großem Wert und spiegelten sein tiefes Verständnis für die Kunst und ihre Geschichte wider.

Der Verkauf des Familienbetriebs und die Erbschaft

Im Jahr 1750 zog Mariette einen Schlussstrich unter den Familienbetrieb, der sich von einer Buchhandlung mit angeschlossener Druckerei zu einem reinen Grafikhandel entwickelt hatte. Durch den Verkauf des Unternehmens konnte er sich intensiver seiner Sammlung und der Aufarbeitung seiner Notizen widmen. Seine Einsichten und Erkenntnisse blieben der Nachwelt erhalten und wurden im 19. Jahrhundert postum veröffentlicht.

Mariette hegte die Hoffnung, seine Sammlung der Bibliothèque Royale, der heutigen französischen Nationalbibliothek, vermachen zu können. Leider starb er, ohne dies selbst in die Wege geleitet zu haben. Nach seinem Tod konnten sich seine Erben nicht über einen Ankauf durch die Behörden einigen, was zu einer sensationellen öffentlichen Versteigerung seiner Sammlung führte.

Nachwirkungen und Vermächtnis

Die Versteigerung seiner Sammlung im Jahr 1775/76 führte dazu, dass einige Werke in die Obhut der Pariser Bibliothek oder des Louvre gelangten, während andere nach Wien verkauft wurden. Viele Stücke fanden ihren Weg in die Kupferstichkabinette von Berlin, Frankfurt, Hamburg und Darmstadt. Besonders wertvoll sind die Werke, die so überliefert wurden, wie Mariette sie sich vorgestellt hatte, eingefügt in dekorative Passepartouts.

Vor seiner Auktion widmete der Zeichner Charles-Nicolas Cochin Mariette eine Hommage, die von dem Grafiker Pierre-Philippe Choffard gestochen wurde. Diese Darstellung zeigt Mariettes Sammlerkabinett und die Büste des verstorbenen Kenners, umgeben von allegorischen Figuren, die die Zeit überwinden.

Fazit

Pierre-Jean Mariette war nicht nur ein bedeutender Sammler, sondern auch ein Wegbereiter der Kunstgeschichte. Sein Lebenswerk und seine Sammlung haben die Kunstwelt nachhaltig beeinflusst und sein Erbe lebt in den Sammlungen und Museen weiter. Der 250. Todestag von Pierre-Jean Mariette erinnert an die Bedeutung seiner Beiträge zur Kunst und Kunstgeschichte.

Quellen: F.A.Z.

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