27.10.2024
Reform der Rundfunkfinanzierung: Beitragserhöhung auf Eis gelegt

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vor großen Veränderungen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) aus Kreisen der Bundesländer erfuhr, soll der Rundfunkbeitrag bis 2027 nicht steigen. Ab dann soll er per Verordnung festgesetzt werden, was ein Vetorecht einzelner Bundesländer ermöglicht. Dieser Plan soll von allen Länderchefs mitgetragen werden.

Die Ministerpräsidenten der Länder befassen sich normalerweise nur mit Rundfunkfragen, wenn eine Beitragserhöhung oder ein neuer Medienstaatsvertrag ansteht. Nun stehen innerhalb kürzester Zeit zwei Treffen zu diesem Thema an. Ziel ist es, die Debatte um die Gebührenerhöhung, die der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) folgt, zu entschärfen und den politischen Einfluss zu reduzieren. Die angestrebte Lösung soll einen Kompromiss darstellen, der sowohl Reformen ermöglicht als auch die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellt.

Nach der letzten Tagung der Ministerpräsidenten deutete der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an, dass man sich auf eine Lösung geeinigt habe, die von allen mitgetragen werde. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei „zentral für die Demokratie in unserem Land“, so Kretschmer. Gleichzeitig gebe es aber auch die „berechtigte Erwartung der Menschen, dass Reformen stattfinden und die Kostenexplosion gestoppt wird“. Die Einigung auf eine Reform und eine neue Finanzierungsform sei deshalb „ein gutes Signal“. Deutlichere Worte fand Alexander Schweitzer (SPD), Vorsitzender der Rundfunkkommission und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Er sprach von einem bevorstehenden „Systemwechsel“ bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Man sei „nahe an einer Lösung“, die die „Temperatur der Debatte herunterfahren und den politischen Einfluss reduzieren“ werde.

Wie die F.A.Z. aus Teilnehmerkreisen erfuhr, soll diese Lösung in der Umsetzung einer Empfehlung des Bundesverfassungsgerichts bestehen: Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags per Verordnung. Bereits in seinen Rundfunkurteilen vom 11. September 2007 und 20. Juli 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht auf diese Möglichkeit hingewiesen. Eine „Beitragsfestsetzung per Verordnung“ würde bedeuten, dass die Empfehlung der KEF, sofern sie sich im Rahmen der Teuerungsrate bewegt, per Erlass als Gebührenhöhe festgesetzt wird, ohne dass die Landtage zustimmen müssen.

Dennoch bliebe ein Vetorecht der Länder bestehen: Sollte ein Bundesland mit der Berechnung der KEF nicht einverstanden sein, könnte es gegen die automatische Inkraftsetzung stimmen und damit das bisherige Ratifizierungsverfahren unter Beteiligung der Landesparlamente einleiten. Diese Neuregelung soll ab 2027 greifen. Das bisherige Verfahren mit der KEF bliebe jedoch bestehen. Auch in Zukunft würden die Sender zunächst ihren Finanzbedarf anmelden. Liegt die Empfehlung der KEF dann ungefähr auf dem Niveau der allgemeinen Teuerungsrate, würde der Beitrag entsprechend steigen. Der bisherige Entwurf des Finanzierungsstaatsvertrags, der eine reine Indexierung vorsah, stieß bei den Ländern auf breite Ablehnung.

Die Beschlüsse der Ministerpräsidenten lassen darauf schließen, dass erst für 2027 wieder mit einer neuen Beitragsempfehlung der KEF zu rechnen ist. Man erwarte, „dass die Rundfunkanstalten die heute schon möglichen Einspar- und Strukturoptimierungsmöglichkeiten nutzen“ und „in ihrer nächsten Bedarfsanmeldung den Reformen Rechnung tragen“. Wenn die Anstalten bis Ende April 2025 auf Basis der KEF-Anforderungen ihren Bedarf für 2027 bis 2029 ermitteln, müssen sie also die Effekte der aktuellen Reformen berücksichtigen. Dies ermöglicht der KEF eine neue Empfehlung. Anschließend soll der Rundfunkbeitrag erstmals per Rechtsverordnung festgesetzt werden. Die Beitragserhöhung könnte dann geringer ausfallen als bisher geplant oder sogar ganz entfallen.

Dieses neue Verfahren, dem grundsätzlich alle Länder zustimmen, ist Voraussetzung dafür, dass der neue Finanzierungsstaatsvertrag keine Beitragserhöhung ab dem 1. Januar 2025 vorsieht. Alle Länder sind sich einig, dass der Beitrag von 18,36 Euro bis zum 31. Dezember 2026 in Kraft bleibt. Da bei dem neuen Verfahren noch einige rechtliche Fragen zu klären sind, wurde es noch nicht beschlossen, soll aber im Dezember verkündet werden. Wären alle rechtlichen Fragen bereits geklärt, hätten die Länderchefs den vermeintlichen Coup bereits verkündet.

Bei der Entscheidungsfindung spielten auch die veränderten Mehrheitsverhältnisse in einigen Landtagen eine Rolle. Das neue Modell werde „selbstverständlich“ verfassungsgemäß sein, sagte der Mainzer Regierungschef Schweitzer. „Perspektivisch“ sei eine Erhöhung möglich (also nicht zum 1. Januar). Conrad Clemens (CDU), Chef der Staatskanzlei Sachsen, sagte der F.A.Z.: „Zu Finanzierung und Beitrag sind wir uns weitestgehend einig und prüfen eine gute Umsetzung bis zur Dezembertagung der Ministerpräsidentenkonferenz.“ Mehrere Ministerpräsidenten, darunter Markus Söder (CSU) aus Bayern und Hendrik Wüst (CDU) aus NRW, haben die Öffentlich-Rechtlichen gewarnt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um eine Beitragserhöhung zum 1. Januar durchzusetzen. „Wir leben im zweiten Jahr einer Rezession, da müssen alle maßhalten“, sagte Söder. Er halte es für ein „seltsames Vorgehen“, gingen die Sender jetzt ganz bewusst einen Konflikt ein.

Quelle: F.A.Z.

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