22.10.2024
DataHub Europe Deutschlands Weg zur KI-Nation

Wer über den „Markt der digitalen Möglichkeiten“ auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung schlendert, kommt auch in diesem Jahr an Künstlicher Intelligenz nicht vorbei. Auf KI basierende spezielle Roboter (Exoskelette), KI in der Produktion, KI in der Forschung, KI fürs Handwerk – all das bekommen die mehr als 1500 Fachteilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Frankfurt zu sehen. Zu hören ist parallel dazu von großen Ambitionen. Deutschland solle die führende KI-Nation Europas werden, sagte Digitalminister Volker Wissing (FDP) in seiner Gipfel-Eröffnungsrede. Dazu wolle die Regierung unter anderem eine wirtschaftsfreundliche Umsetzung der europäischen KI-Verordnung und eine bessere Datenverfügbarkeit für innovative Start-ups beitragen.

Doch im aktuellen Tempo könnten Deutschland und Europa in wichtigen Bereichen wie Künstlicher Intelligenz keine Souveränität erlangen, warnte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dessen Haus den Digitalgipfel zusammen mit Wissings Ressort veranstaltet. „Wir haben kein Alibaba, kein Google, kein Apple“, stellte er fest – und bemängelte, dass viele kritische Daten auf amerikanischen Servern gespeichert seien. „Wir haben dort möglicherweise ein Sicherheitsproblem. Das muss überwunden werden.“ Aber Habeck betonte auch das Potential Künstlicher Intelligenz für die deutsche Wirtschaft. „Deutsche Unternehmen sitzen auf Schätzen von Daten.“ Dort habe die deutsche Wirtschaft Vorteile im Vergleich zur internationalen Konkurrenz. „Die müssen wir jetzt heben.“

Neues Projekt “DataHub Europe“

Wie das aussehen kann, zeigt ein neuer Vorstoß eines Konglomerats um deutsche IT- und Medienunternehmen, zu denen auch die F.A.Z. gehört. Sie präsentierten ein Projekt namens DataHub Europe. Auf dieser digitalen Plattform sollen Daten von Industrie- und Medienunternehmen zusammengeführt und aufbereitet werden, um sie dann für die Verarbeitung durch Algorithmen beschreiben, beschriften und etikettieren zu können. Mit dem Hub werden nach Angaben der Beteiligten zwei Ziele verfolgt. Man will hiesigen Unternehmen auf einer sicheren Plattform jene Daten bereitstellen, die sie für das Training ihrer Künstliche-Intelligenz-Systeme benötigen. Und man will Europa aus der Abhängigkeit von Anbietern aus Übersee befreien.

Denn bislang sind nicht nur hochwertige Daten in der digitalen Wertschöpfungskette Europas Mangelware. Vielmehr sind europäische Unternehmen im Wettbewerb um eine wichtige Technologie der Zukunft auch weit hinter Amerika und China zurückgefallen. US-Konzerne wie Microsoft, Open AI, Alphabet oder Meta geben den Ton an und grasen nahezu das gesamte Internet nach Daten ab. In China hat der Staat die Hand auf alle digitalen Daten gelegt, um sie heimischen KI-Entwicklern zentral zuzuteilen. Dagegen kümmerte sich Europa mit dem AI Act und dem Data Act in den vergangenen Jahren erst einmal um einen Rechtsrahmen für den Umgang mit KI.

Die nächste Entwicklungsstufe

Jetzt soll in der EU die nächste Entwicklungsstufe gezündet werden. Dabei stehen Anwendungen für die Industrie im Mittelpunkt. Denn die gibt es bislang auch in Übersee allenfalls in Ansätzen. Für ihre Entwicklung stehen in Europa erste KI-fähige Datenzentren bereit. Auch sind erste vielversprechende junge KI-Unternehmen wie die französische Mistral AI oder die deutsche Aleph Alpha am Start.

Nun machen sich die IT- und Digitalsparte der Schwarz Gruppe, Schwarz Digits, und die Deutsche Bahn AG mit Verbündeten daran, eine technisch sichere und juristisch wasserdichte Datenbasis anzulegen. Hier sind als erste Partner unter anderem die Medienkonzerne Bertelsmann und RTL sowie der Softwareanbieter SAP mit an Bord. Geplant ist, dass die Unternehmen ihre Daten auf der Plattform anonymisiert zur Verfügung stellen. So soll sichergestellt werden, dass sensible Informationen nicht in falsche Hände geraten.

„Wir wollen die vorhandenen Datenschätze in Deutschland und Europa heben“, sagte der Chef von Schwarz Digits, Rolf Hühn, dem Handelsblatt. „Dafür braucht es einen sicheren und souveränen Datenraum.“ Die Initiative ist zunächst auf drei Jahre angelegt. In dieser Zeit soll die Plattform aufgebaut und mit ersten Datenpaketen gefüllt werden. Die Federführung für das Projekt liegt bei der Schwarz Gruppe, die dafür einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen will.

Die Bundesregierung begrüßt die Initiative. „Wir brauchen mehr solcher Initiativen aus der Wirtschaft“, sagte Digitalminister Wissing. „Der DataHub Europe kann ein wichtiger Baustein für die Entwicklung einer europäischen Datenökonomie sein.“ Auch Wirtschaftsminister Habeck zeigte sich optimistisch. „Wenn es uns gelingt, die vorhandenen Datenschätze zu heben, dann haben wir in Deutschland und Europa gute Chancen, im globalen Wettbewerb um Künstliche Intelligenz eine führende Rolle zu spielen.“

Die Herausforderungen sind jedoch groß. So müssen die Unternehmen erst einmal lernen, mit ihren Daten so umzugehen, dass sie für die KI-Entwicklung nutzbar sind. Auch müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Datenaustausch weiter verbessert werden. Und schließlich braucht es auch noch mehr Investitionen in die KI-Forschung und -Entwicklung.

Dennoch sind die Chancen groß, dass Deutschland und Europa im Bereich der Künstlichen Intelligenz den Anschluss an die Weltspitze schaffen können. Die Voraussetzungen dafür sind gut. So verfügt Europa über eine exzellente Forschungslandschaft und eine starke Industrie. Auch die Politik hat die Bedeutung der Künstlichen Intelligenz erkannt und unterstützt die Entwicklung dieser Schlüsseltechnologie mit Milliardeninvestitionen.

Der Digitalgipfel in Frankfurt hat gezeigt, dass Deutschland und Europa auf dem Weg zur KI-Nation wichtige Fortschritte machen. Die Initiative DataHub Europe ist ein vielversprechender Ansatz, um die vorhandenen Datenschätze zu heben und die Entwicklung einer europäischen Datenökonomie voranzutreiben. Wenn es gelingt, die Herausforderungen zu meistern, dann haben Deutschland und Europa gute Chancen, im globalen Wettbewerb um Künstliche Intelligenz eine führende Rolle zu spielen.

Quelle: F.A.Z.

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