Die Modebranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel, der durch die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) vorangetrieben wird. KI-Avatare und digitale Modelle gewinnen zunehmend an Bedeutung und stellen die traditionellen Konzepte der Modefotografie und des Modelmanagements in Frage. Diese Entwicklung wirft zahlreiche Fragen auf, sowohl hinsichtlich der kreativen als auch der wirtschaftlichen Aspekte der Modeindustrie.
Ein bemerkenswertes Beispiel für den Einsatz von KI in der Mode ist die Sommerkampagne des spanischen Modehauses Mango, die im Juli 2024 vorgestellt wurde. Diese Kampagne beinhaltete einen KI-generierten Avatar, der so realistisch gestaltet war, dass selbst erfahrene Branchenvertreter wie Marco Sinervo, CEO einer der größten Modelagenturen Deutschlands, nicht erkennen konnten, dass es sich um ein digitales Modell handelte. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Appinio empfanden 72 Prozent der Befragten die Darstellung des KI-Models als realitätsnah.
Die Nutzung von KI bietet Unternehmen in der Modebranche zahlreiche Vorteile. Michael Berger, Geschäftsführer von Beyond Studio, einem Design-Kollektiv, das stark auf KI setzt, erklärt, dass KI es ermöglicht, Hintergründe digital zu erstellen, wodurch kostspielige und zeitaufwendige Fotoshootings an verschiedenen Orten entfallen. Dies schont nicht nur die Ressourcen der Unternehmen, sondern hat auch positive Auswirkungen auf die Umwelt.
Berger betont, dass es im besten Fall möglich sein sollte, das gesamte Model durch KI zu ersetzen. Aktuell ist es jedoch notwendig, Kleidung und Accessoires am Körper zu fotografieren, da KI diese noch nicht korrekt darstellen kann. Daher werden oft Körpermodelle verwendet, deren Köpfe später digital ersetzt werden. Dieser Prozess ist derzeit noch kostspielig, könnte jedoch durch die Automatisierung der KI-Technologie in Zukunft günstiger werden.
Die Frage, ob Models und Fotografen bald überflüssig werden, ist umstritten. Norbert Hansen, Vorstandsvorsitzender des Verbands lizenzierter Modellagenturen (Velma), äußert Bedenken über die Zukunft der Branche. Er glaubt, dass viele Modelagenturen in den kommenden Jahren nicht überleben werden, wenn die technische Entwicklung weiterhin so schnell voranschreitet. Viele Online-Shops setzen bereits auf KI, um täglich zahlreiche Outfits zu fotografieren, wobei der Fokus auf den Produkten und nicht auf den Models liegt.
Marco Sinervo ist jedoch der Meinung, dass KI nicht die Lösung für alle Probleme der Modebranche ist. Er beschreibt KI als "nicht sexy" und sieht den Einsatz von KI-Avataren als Rückschritt. In einer Welt, die zunehmend oberflächlich und schnelllebig ist, haben die Menschen ein starkes Bedürfnis nach Authentizität. Technisch generierte Models könnten ein unnatürliches Schönheitsideal vermitteln, das dem Wunsch nach realen und nahbaren Marken widerspricht.
Ähnlich äußert sich Axl Jansen, ein erfahrener Modefotograf. Er glaubt, dass nach mehreren KI-Kampagnen eine Ermüdung bei den Konsumenten eintreten wird. Jansen zieht Parallelen zu früheren Trends in der Fotografie, die schnell wieder in den Hintergrund traten. Viele Fotografen der jüngeren Generation kehren sogar zur analogen Fotografie zurück, da sie die Authentizität und die rechtlichen Absicherungen schätzen, die mit traditionellen Methoden verbunden sind.
Ein weiteres zentrales Thema ist die rechtliche Situation rund um KI-generierte Bilder. Wem die Rechte an diesen Bildern zustehen, ist unklar, da es in Deutschland noch keine spezifischen Regelungen gibt. Für Models sind Bildrechte eine wichtige Einnahmequelle, da sie diese in der Regel für begrenzte Zeiträume verkaufen. Unternehmen könnten jedoch durch den Einsatz von KI in der Lage sein, Gesichter so zu verändern, dass sie keine Rechte mehr zahlen müssen.
Ein eigener KI-Avatar könnte es Models ermöglichen, sich mehrfach täglich "zu verkaufen", was ihre Einnahmen steigern könnte. Allerdings machen die unklare rechtliche Lage und das Fehlen von Interesse an einer solchen Tätigkeit dies derzeit wenig sinnvoll. Sinervo warnt, dass die Exklusivität von Models leiden könnte, wenn berühmte Persönlichkeiten wie Kendall Jenner plötzlich als KI-Model für unbekannte Marken auftreten.
Eine Umfrage zeigt, dass 81 Prozent der Befragten eine klare Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten wünschen. Inken Paland, eine Expertin für KI im Social-Media-Bereich, betont die Notwendigkeit, KI-Modelle zu erkennen und zu verstehen, dass sie keine echten Menschen sind. Sinervo hingegen glaubt, dass eine Kennzeichnungspflicht den KI-Hype in der Modebranche schnell abflauen lassen könnte, da dies den Bildern und dem Image der Marken, die KI einsetzen, einen negativen Beigeschmack geben würde.
Paland sieht die Situation anders und argumentiert, dass Menschen dazu neigen, sich gegen neue Technologien zu wehren, bis sie normal werden. Ihrer Meinung nach werden KI-Avatare mit der Zeit genauso alltäglich sein wie die Cookies, die auf Websites verwendet werden.
Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Modebranche ist ein komplexes Thema, das zahlreiche Herausforderungen und Chancen mit sich bringt. Während KI-Avatare und digitale Modelle die Art und Weise, wie Mode präsentiert wird, revolutionieren könnten, bleibt die Frage, wie sich diese Technologien auf die Authentizität und die menschliche Verbindung in der Mode auswirken werden. Die Diskussion über die Rolle von KI in der Modewelt wird sicherlich weitergehen, während Unternehmen und Kreative versuchen, einen Weg zu finden, der sowohl innovativ als auch nachhaltig ist.
Dieser Artikel basiert auf Informationen aus verschiedenen Quellen, darunter:
.png)
