September 16, 2024
Schweiz plant Wiedereröffnung ihres Büros in Kabul als erstes westliches Land

Die Schweiz eröffnet als erstes westliches Land ein Büro in Kabul

Im Herbst 2024 plant die Schweiz die Wiedereröffnung ihres Büros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Kabul, Afghanistan. Dies geschieht als erstes westliches Land nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021, die zur Schließung des Büros führte. Die Entscheidung, die Präsenz in Kabul wiederherzustellen, wurde am Montag von einem Sprecher des Schweizer Außenministeriums in Bern bestätigt.

Das Büro wird von vier Mitarbeitern des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) sowie zehn afghanischen Angestellten besetzt. Diese sollen humanitäre Projekte in Afghanistan umsetzen, die auf die Unterstützung der notleidenden Bevölkerung abzielen. Der Sprecher des Außenministeriums, Pierre-Alain Eltschinger, betonte, dass die Rückkehr der Schweiz nach Kabul keine Legitimierung der Taliban darstellt. Die Kontakte zwischen der DEZA und den Taliban würden sich hauptsächlich auf logistische Aspekte beschränken.

Hintergrund der Entscheidung

Die Schließung des DEZA-Büros im Jahr 2021 war eine direkte Folge der politischen Veränderungen in Afghanistan. Nach der Rückkehr der Taliban an die Macht sahen sich viele westliche Länder gezwungen, ihre diplomatischen und humanitären Missionen einzustellen. In den vergangenen drei Jahren hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan jedoch verändert. Während die Menschenrechtslage, insbesondere für Frauen und Mädchen, weiterhin besorgniserregend ist, ist die allgemeine Sicherheitslage stabiler geworden. Die Zahl der Anschläge und gewaltsamen Konflikte ist gesunken, was einige westliche Länder dazu veranlasst, über eine Rückkehr nach Afghanistan nachzudenken.

Die Schweiz hat diese Überlegungen aktiv vorangetrieben und plant, ihre humanitäre Hilfe in Afghanistan zu intensivieren. Das Budget für humanitäre Hilfe in Afghanistan beträgt in diesem Jahr 30 Millionen Franken, was etwa 32 Millionen Euro entspricht. Diese Mittel sollen vor allem für humanitäre Projekte verwendet werden, die keine klassische Entwicklungszusammenarbeit umfassen.

Reaktionen der Taliban

Die Taliban haben die Entscheidung der Schweiz, ein Büro in Kabul zu eröffnen, als Erfolg gewertet. Zabihullah Mudschahid, ein Sprecher der Taliban, äußerte, dass dieser Schritt die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Afghanistans zu anderen Ländern stärken würde. Er versicherte, dass es für die Mitarbeiter der Schweiz in Afghanistan keine Sicherheitsprobleme geben werde und forderte andere Länder auf, dem Beispiel der Schweiz zu folgen.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt jedoch komplex. Der Sprecher des Schweizer Außenministeriums bestätigte, dass ein umfassendes Sicherheitskonzept für das Personal vor Ort entwickelt wurde, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Dies ist besonders wichtig, da die Taliban in der Vergangenheit auch internationale Mitarbeiter angegriffen haben, wie im Fall von vier Mitarbeitern der deutschen GIZ, die im November 2023 festgenommen wurden.

Schweizer Außenpolitik und humanitäre Hilfe

Die Wiedereröffnung des DEZA-Büros in Kabul ist Teil einer breiteren Strategie der Schweiz, ihre humanitäre Hilfe zu intensivieren und die afghanische Zivilgesellschaft zu unterstützen. Die Schwerpunkte der Projekte werden auf der Unterstützung von Frauen und Mädchen sowie auf der humanitären Hilfe in ländlichen Gebieten liegen. Die Schweiz plant, mit internationalen und lokalen NGOs sowie UN-Organisationen zusammenzuarbeiten, um die Hilfe vor Ort effektiv umzusetzen.

Die diplomatischen Interessen der Schweiz in Afghanistan werden weiterhin durch die Botschaft in Pakistan vertreten. Dies bedeutet, dass die Rückkehr des DEZA-Büros keine direkten diplomatischen Beziehungen zu den Taliban herstellen wird. Die Schweiz verfolgt eine Politik der humanitären Hilfe, die darauf abzielt, die Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung zu verbessern, ohne die Taliban direkt zu legitimieren.

Auswirkungen auf die Rückführung afghanischer Straftäter

Ein weiterer Aspekt der Schweizer Außenpolitik betrifft die Rückführung afghanischer Straftäter. Die Schweiz prüft derzeit, unter welchen Umständen Personen mit kriminellem Profil nach Afghanistan zurückgeführt werden könnten. Diese Überlegungen sind besonders relevant, da Deutschland kürzlich einen Abschiebeflug für verurteilte Straftäter nach Afghanistan durchgeführt hat, was zu intensiven Diskussionen über die Sicherheit und die Bedingungen in Afghanistan geführt hat.

Die Schweiz hat seit der Machtübernahme der Taliban keine Rückführungen mehr durchgeführt, was sich jedoch ändern könnte, wenn die Sicherheitslage dies zulässt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat erklärt, dass es in Kontakt mit deutschen Behörden steht, um mögliche Rückführungen zu koordinieren.

Schlussfolgerung

Die Wiedereröffnung des DEZA-Büros in Kabul markiert einen bedeutenden Schritt in der Schweizer Außenpolitik und humanitären Hilfe. Während die Schweiz ihre Präsenz in Afghanistan wiederherstellt, bleibt die Situation vor Ort komplex und herausfordernd. Die humanitäre Hilfe wird weiterhin im Vordergrund stehen, während die diplomatischen Beziehungen zu den Taliban auf ein Minimum beschränkt bleiben. Die internationale Gemeinschaft beobachtet diese Entwicklungen mit großem Interesse, da sie möglicherweise Auswirkungen auf die zukünftige humanitäre und diplomatische Zusammenarbeit in Afghanistan haben könnten.

Die Entscheidung der Schweiz könnte als Signal an andere westliche Länder dienen, die ebenfalls über eine Rückkehr nach Afghanistan nachdenken. Die humanitäre Krise in Afghanistan erfordert dringende Maßnahmen, und die Schweiz hat sich verpflichtet, einen aktiven Beitrag zur Unterstützung der afghanischen Bevölkerung zu leisten.

Quellen: F.A.Z., Neue Zürcher Zeitung, SRF, NZZ.

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