September 10, 2024
Kunstbetrug in Kanada: Der Fall der gefälschten Werke von Norval Morrisseau

Fälscherprozess in Kanada: Millionen mit indigener Fake-Kunst

In einem der größten Kunstfälschungsskandale Kanadas wurden in Thunder Bay, Ontario, mehrere Drahtzieher eines Fälscherrings zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Dieser Fälscherprozess betrifft die Werke des indigenen Künstlers Norval Morrisseau, der als Erneuerer der indigenen Kunst Kanadas gilt. Morrisseaus Gemälde sind international begehrt, und die Ermittler hatten mehr als tausend Fälschungen sichergestellt, die zwischen 1996 und 2019 auf den Markt gebracht wurden.

Norval Morrisseau, der der Bingwi Neyaashi Anishinabek First Nation angehörte, wurde 1932 geboren und starb 2007 im Alter von 75 Jahren. Er gilt als einer der prägenden modernen indigenen Künstler Nordamerikas. Seine Werke sind bekannt für kontrastreiche Farben und starke schwarze Konturen, die Wesen, Symbole und Formen darstellen. Morrisseau wuchs in traditionellen Verhältnissen auf und war Autodidakt, der sich an traditionellen Ausdrucksformen orientierte. Während einer schweren Erkrankung in seiner Jugend nahm er an einer schamanischen Zeremonie teil, in deren Verlauf ihm der Name Copper Thunderbird zugeteilt wurde, unter dem er auch arbeitete.

Die Entdeckung von Morrisseaus Kunst durch die Kunstsammler Esther und Joseph Weinstein aus Montreal in den 1960er Jahren führte zu seiner Anerkennung als Sensation. Er ließ sich von den Mythen der Ojibwe-Anishinabe inspirieren und verband indigenen Mystizismus mit Elementen des Christentums sowie New-Age-Symbolismus. Diese Einflüsse prägten seine künstlerische Identität und seine Werke, die oft spirituelle und kulturelle Themen behandeln.

Der Verwalter von Morrisseaus Nachlass, Cory Dingle, bezifferte den durch die Fälschungen verursachten Schaden auf mindestens hundert Millionen Dollar. Vor Gericht forderte er neben einer Entschädigung auch die Anerkennung der Auswirkungen auf das kulturelle Erbe Kanadas sowie Reformen im Urheber- und Strafrecht, um zukünftigen Fälschungen vorzubeugen. Das Gericht wies die Forderung nach Entschädigung mit der Begründung zurück, dass ein angemessener Betrag nicht bestimmt werden könne.

Morrisseaus eigenes Verhältnis zu Ruhm und Erfolg war ambivalent. Sein Leben war geprägt von Obdachlosigkeit und Alkoholismus, und er kämpfte mit den Herausforderungen, die mit seinem plötzlichen Ruhm in der weißen Kunstwelt einhergingen. Trotz seiner Schwierigkeiten schuf er Kunst aus einer spirituellen und kulturellen Notwendigkeit und strebte danach, den Stolz der Ojibwe zum Ausdruck zu bringen. Er verschenkte viele seiner Werke und ermutigte andere indigene Künstler, seinen Stil zu kopieren, um ebenfalls ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Im Jahr 2005 beauftragte Morrisseau Experten, einen Katalog seiner Originalwerke zu erstellen, um dem Handel mit Fälschungen entgegenzuwirken. Dennoch gab es immer wieder Zweifel an der Echtheit seiner Werke, insbesondere aufgrund seines Alkoholismus. Diese Zweifel führten dazu, dass einige Sammler die Liste der von Morrisseau reklamierten Werke in Frage stellten.

Die Ermittlungen zu dem Fälscherring wurden durch Hinweise aus der Kunstszene und von Künstlern angestoßen. Der kanadische Musiker Kevin Hearn äußerte bereits 2019 in einem Dokumentarfilm den Verdacht, unwissentlich ein gefälschtes Morrisseau-Gemälde erworben zu haben. Dies führte zu einer umfassenden Untersuchung, bei der die Polizei von Ontario mehrere Verdächtige festnahm, darunter Morrisseaus Neffen. Die Ermittler entdeckten, dass die Fälscher systematisch gefälschte Werke herstellten, die teilweise von jungen Künstlern und sogar Minderjährigen unter Zwang erstellt wurden.

Die kanadische Polizei bezeichnete diesen Fall als einen der größten Kunstbetrugsskandale aller Zeiten, mit einem geschätzten Gesamtschaden von über 100 Millionen kanadischen Dollar. Die Fälscher hatten ein Netzwerk geschaffen, das es ihnen ermöglichte, Fälschungen in großem Stil zu produzieren und zu verkaufen. Der Fall hat nicht nur Auswirkungen auf den Kunstmarkt, sondern wirft auch Fragen zur Authentizität und zum Schutz des geistigen Eigentums indigener Künstler auf.

Die Verurteilungen der Drahtzieher des Fälscherrings sind ein wichtiger Schritt, um die Integrität des Kunstmarktes zu schützen und das Erbe von Norval Morrisseau zu bewahren. Die Diskussion über die Notwendigkeit von Reformen im Urheberrecht und im Strafrecht wird in den kommenden Monaten sicherlich weitergeführt werden, um sicherzustellen, dass solche Fälle in Zukunft verhindert werden können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Fälscherprozess in Kanada nicht nur die Herausforderungen im Umgang mit Fälschungen indigener Kunst aufzeigt, sondern auch die Bedeutung der Anerkennung und des Schutzes des kulturellen Erbes der indigenen Völker betont. Die Kunst von Norval Morrisseau bleibt ein bedeutendes Symbol für die indigene Identität und Kreativität in Kanada.

Quellen: F.A.Z., Weltkunst, Kunststrafrecht.

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