Die Ampel-Koalition steht vor einer Zerreißprobe. Auslöser ist ein Papier von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), in dem er weitreichende Forderungen im Haushaltsstreit formuliert. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, stellt Lindner Bedingungen für die weitere Zusammenarbeit: zusätzliche Wirtschaftsreformen, Einschnitte in der Sozialpolitik und den Verzicht auf geplante Gesetze, die die FDP für zu bürokratisch hält. Lindner knüpft die Zustimmung der FDP zum Haushalt 2025 an die Erfüllung seiner Forderungen.
Die Reaktionen der Koalitionspartner ließen nicht lange auf sich warten. Die SPD-Parteiführung lehnte Lindners Plan entschieden ab. Saskia Esken, Co-Vorsitzende der SPD, erklärte auf einer Parteikonferenz in Hamburg: „Durch die Bank sind diese Punkte, die er dort aufgezählt hat, in der Koalition nicht zu verwirklichen.“ Auch Lars Klingbeil, der andere SPD-Vorsitzende, äußerte sich ablehnend. Ähnlich kritisch reagierten die Grünen. Dort sieht man in Lindners Vorgehen einen Versuch, die Koalition platzen zu lassen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte das Vorgehen seines Parteichefs. Lindner habe ein „ernsthaftes Angebot“ vorgelegt, so Dürr gegenüber der Süddeutschen Zeitung. „Es kommt nun auf die Bereitschaft unserer Koalitionspartner an.“ Die FDP hofft offenbar auf Rückendeckung aus der Wirtschaft und der Öffentlichkeit, um SPD und Grüne zum Einlenken zu bewegen. Tatsächlich äußerten sich einige Wirtschaftsverbände und Ökonomen positiv zu Lindners Papier. Auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) lobte das Konzept.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hielt sich zunächst bedeckt. Am Sonntagabend kam es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung zu Krisengesprächen im Kanzleramt. Zunächst beriet Scholz mit der SPD-Spitze, später traf er sich mit Lindner zu einem Vier-Augen-Gespräch. Am Montag setzten Scholz, Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Beratungen fort. Ziel ist es, einen Kompromiss im Haushaltsstreit zu finden und ein gemeinsames Programm zur Belebung der Konjunktur zu entwickeln. Neben den inhaltlichen Differenzen erschwert eine Finanzierungslücke im Haushalt 2025 im hohen einstelligen Milliardenbereich die Verhandlungen.
Für Mittwoch ist ein Treffen des Koalitionsausschusses geplant – das erste seit Monaten. Bis dahin sollen Scholz, Lindner und Habeck in weiteren Dreiergesprächen Lösungsvorschläge erarbeiten. Ob es gelingt, die Koalition zu retten, ist derzeit völlig offen.
Konkret schlägt Lindner unter anderem vor, die zehn Milliarden Euro, die ursprünglich für eine Chipfabrik von Intel bei Magdeburg vorgesehen waren, anderweitig im Haushalt zu verwenden. Zudem will er Einsparungen bei Rente und Bürgergeld erreichen. So soll das Rentenniveau anders berechnet und höhere Abschläge für Frührentner eingeführt werden. Beim Bürgergeld plant Lindner eine Kürzung des Regelsatzes und eine Deckelung der Mietkosten. Die dadurch eingesparten Mittel sollen für Steuersenkungen für Unternehmen und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags verwendet werden.
Im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen drohen Neuwahlen oder eine rot-grüne Minderheitsregierung. Letztere Option wird insbesondere von den Grünen kritisch gesehen, da der Handlungsspielraum ohne verabschiedeten Haushalt stark eingeschränkt wäre. Auch das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl könnte Einfluss auf die weitere Entwicklung der Koalitionskrise haben. Ein Sieg von Donald Trump könnte die internationale Lage weiter destabilisieren und die Ampel-Partner möglicherweise enger zusammenschweißen.
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