Nach dem kurzen, aber dramatischen Intermezzo des Kriegsrechts, das Präsident Yoon Suk-yeol verhängt und nur Stunden später wieder aufgehoben hat, befindet sich Südkorea in einer Phase der Unsicherheit. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) beschreibt eine gespannte Ruhe am Tag nach dem gescheiterten Versuch, die politische Kontrolle an sich zu reißen. In Seoul ist das öffentliche Leben wiederhergestellt, Soldaten sind nicht mehr präsent. Die scheinbare Normalität täuscht jedoch über die wachsenden Rücktrittsforderungen gegenüber Yoon hinweg, die von verschiedenen Medien übereinstimmend berichtet werden. Laut FAZ hält sich der Präsident vorerst bedeckt.
Die Ereignisse der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 2024 haben das Land tiefgreifend erschüttert. Yoon begründete die Verhängung des Kriegsrechts mit angeblichen „staatsfeindlichen Aktivitäten“ der Opposition, die die Regierung lähmen würden. Wie die FAZ und andere Medien berichten, riegelte das Militär daraufhin das Parlamentsgebäude ab. Die Abgeordneten widersetzten sich jedoch dieser Einschüchterung. 190 von ihnen verschafften sich Zutritt zum Gebäude und stimmten geschlossen für die Aufhebung des Kriegsrechts, wie unter anderem die NZZ berichtet. Die südkoreanische Verfassung verpflichtete Yoon, diesem Parlamentsbeschluss Folge zu leisten und das Kriegsrecht zurückzunehmen.
Die Bevölkerung reagierte mit Demonstrationen auf Yoons Vorgehen. Tausende Menschen gingen, laut taz und Frankfurter Rundschau (FR), auf die Straße und forderten seinen Rücktritt. Die Proteste verliefen größtenteils friedlich, dennoch ist die Stimmung im Land angespannt. Kritik an Yoon kam auch aus den Reihen seiner eigenen Partei, der konservativen People Power Party. Parteichef Han Dong-hoon, zitiert von der FR, bezeichnete die Verhängung des Kriegsrechts als „falsch“ und kündigte an, diese „gemeinsam mit dem Volk stoppen“ zu wollen.
Yoons drastische Maßnahme wird weithin als Verzweiflungstat eines angeschlagenen Präsidenten interpretiert. NZZ und Jacobin berichten von niedrigen Zustimmungswerten und Korruptionsvorwürfen gegen seine Frau. Auch sein Krisenmanagement, beispielsweise im Zusammenhang mit der Itaewon-Katastrophe von 2022, hat ihm viel Kritik eingebracht. Der Versuch, die Opposition mit dem Kriegsrecht auszuschalten, wird als Zeichen seiner politischen Schwäche gewertet.
Die Zukunft Südkoreas bleibt ungewiss. Die Oppositionsparteien haben, wie die FR berichtet, einen Antrag auf Amtsenthebung Yoons gestellt. Der Erfolg dieses Antrags ist noch offen. Auch ein Rücktritt Yoons wird nicht ausgeschlossen. Sollten Neuwahlen stattfinden, gilt Oppositionsführer Lee Jae-myung laut taz als aussichtsreicher Kandidat. Die weitere Entwicklung der politischen Krise in Südkorea wird sich in den kommenden Tagen und Wochen zeigen.
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