Thomas Meineckes "Odenwald": Eine Reise durch die Archive der Postmoderne
Thomas Meineckes neuer Roman "Odenwald" beginnt, wie Moritz Baßler in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 21.11.2024 berichtet, mit einem Zitat: der Ankündigung einer Lesung Meineckes in den USA. Diese selbstreferenzielle Geste ist programmatisch für das gesamte Werk, das sich aus einer Fülle von Zitaten, Anekdoten und Reflexionen zusammensetzt. Der Odenwald, Kindheitslandschaft Theodor W. Adornos, dient dabei als Ausgangspunkt für eine weitreichende Exploration von Themen wie Gender, Musik und der Postmoderne selbst.
Wie die FAZ weiter ausführt, knüpft "Odenwald" an Meineckes frühere Werke, insbesondere an "Tomboy", an und reiht sich ein in eine Reihe von Romanen, die den Pop der 90er Jahre im Kontext der Gegenwart neu bewerten. Ähnlich wie Benjamin von Stuckrad-Barre und Christian Kracht reflektiert Meinecke seine eigene literarische Vergangenheit und setzt sich mit den veränderten Bedingungen des Schreibens im digitalen Zeitalter auseinander.
Der Roman ist, wie Beate Meierfrankenfeld für den Bayerischen Rundfunk (BR) beschreibt, eine Textmontage, die verschiedene kulturelle Sphären miteinander verknüpft. Von der Kunststoffproduktion im Odenwald über die Nibelungensage bis hin zu Adornos Kindheitserinnerungen spannt Meinecke ein Netz aus Assoziationen, das den Leser zu eigenen Recherchen und "Suchprozessen" einlädt. "Odenwald" ist kein klassischer Handlungsroman, sondern ein "poröses Gebilde", das die Fragmentierung der modernen Erfahrungswelt widerspiegelt.
Die für Meinecke charakteristische Zitattechnik und die Thematisierung von Genderfragen, so die FAZ, werfen auch die Frage nach der Relevanz der Postmoderne im 21. Jahrhundert auf. Während Meinecke die "liebende Verflüssigung" des Urteils propagiert, könnte man argumentieren, dass die digitale Verfügbarkeit von Informationen eine Neubewertung von Le Guins Tragetaschentheorie des Erzählens erfordert. Die im Roman gesammelten Fundstücke, von der Erfindung der Schneekugel bis zum Unterschied zwischen Romper und Jumpsuit, wirken zwar anregend, lassen aber auch die Frage nach dem roten Faden offen.
Nayra Jonke beschreibt in der Buchkultur vom 7. Oktober 2024, wie Meinecke Figuren aus seinen eigenen Romanen, Theoretikerinnen wie Judith Butler und historische Persönlichkeiten wie Adorno in einem vielstimmigen Textgewebe vereint. Die intermedialen Verweise erfolgen dabei stets in Textform, was die Auflösung der Grenzen zwischen Fiktion und Realität unterstreicht.
Wie aus dem Perlentaucher hervorgeht, ist Meinecke ein Autor, der sich seit den 80er Jahren mit Popkultur, Musik und Genderfragen auseinandersetzt. Seine Werke zeichnen sich durch eine experimentelle Schreibweise aus, die an musikalisches Sampling erinnert. "Odenwald" ist sein neuestes Werk in einer Reihe von Romanen, die diese Technik konsequent weiterentwickeln.
"Text + Kritik" (Band 231) bietet eine umfassende Auseinandersetzung mit Meineckes Werk. In einem Gespräch mit Charis Goer reflektiert Meinecke seine Arbeitsweise und die zentralen Themen seines Schaffens. Weitere Beiträge analysieren die Poetik des Zitats, die Rolle von Selbst- und Fremdreferenz sowie die rechtlichen Aspekte der Verwendung von Zitaten in der Literatur.
Quellen:
- Moritz Baßler: „Odenwald“ von Thomas Meinecke und die Identitätspolitik. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2024. (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/odenwald-von-thomas-meinecke-und-die-identitaetspolitik-110040508.html)
- Beate Meierfrankenfeld: Das soll ein Roman sein? "Odenwald" von Thomas Meinecke. Bayerischer Rundfunk, 14.10.2024. (https://www.br.de/nachrichten/kultur/das-soll-ein-roman-sein-odenwald-von-thomas-meinecke,UQtljBA)
- Nayra Jonke: Hashtag Adornobach. Buchkultur, 7. Oktober 2024. (https://www.buchkultur.net/thomas-meinecke/)
- Thomas Meinecke. Perlentaucher. (https://www.perlentaucher.de/autor/thomas-meinecke.html)
- Thomas Meinecke. Wikipedia. (https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Meinecke)
- Text + Kritik. Band 231: Thomas Meinecke. (https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783967075410/thomas-meinecke)