14.11.2024
Neustart im OVG-Besetzungsverfahren

Alles auf Anfang: In der NRW-Richteraffäre wird die Beurteilung aufgehoben

Die Besetzung des Präsidentenpostens am Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) entwickelt sich immer mehr zu einem Justiz-Krimi. Wie die nordrhein-westfälische Innenstaatssekretärin Daniela Lesmeister (CDU) am Donnerstagabend mitteilte, wird die für die Bewerbung entscheidende Beurteilung der favorisierten Kandidatin aufgehoben. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Beurteilung ein Formfehler unterlaufen sei, so Lesmeister. Die Kandidatin, eine Abteilungsleiterin im Innenministerium, hatte von Lesmeister Bestnoten erhalten, obwohl diese erst seit kurzer Zeit Staatssekretärin war. Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass Lesmeisters Vorgänger, der die Kandidatin länger kannte, nicht befragt wurde, hatte bereits in der vergangenen Woche die Oppositionsparteien SPD und FDP dazu veranlasst, ein Gutachten in Auftrag zu geben, welches die Rechtmäßigkeit der Beurteilung in Frage stellte (stern.de, 05.11.2024). Die Beurteilungsrichtlinien des Landes NRW sehen vor, dass der vorherige Vorgesetzte in die Beurteilung miteinbezogen werden soll, wenn sich der aktuelle Vorgesetzte kein umfassendes Bild machen kann (recht.nrw.de).

Die SPD begrüßte die Aufhebung der Beurteilung. Die Entscheidung sei ein „Desaster für die Landesregierung“, so die SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Nadja Lüders. Das gesamte Besetzungsverfahren sei nun hinfällig. „Es fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen“, sagte Lüders. Das Innenministerium trage eine Teilschuld an der Verstrickung. Es habe „eine Bestnote auf Bestellung“ geliefert, so Lüders. Wie die FAZ berichtet, stehe nun alles wieder auf Anfang (faz.net, 14.11.2024). Die Vakanz des Präsidentenpostens werde sich weiter hinziehen, so Lüders. Die Landesregierung habe sich „bis auf die Knochen blamiert“ und der Justiz schweren Schaden zugefügt. Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) kündigte eine Stellungnahme für Freitag an.

Die Aufhebung der Beurteilung dürfte die für Limbach unangenehmen Anhörungstermine vor dem OVG hinfällig machen. Die Affäre zieht sich bereits seit Limbachs Amtsantritt im Sommer 2022 hin. Damals fand er die Personalentscheidung unerledigt vor. Er führte Gespräche mit den drei Bewerbern und benannte die Juristin aus dem Innenministerium als Favoritin. Das Verwaltungsgericht Münster hatte dem Justizminister daraufhin auf Eilantrag eines unterlegenen Kandidaten „rechtswidriges“ und „manipulatives“ Handeln im Besetzungsverfahren bescheinigt.

Auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf kam auf Antrag des zweiten unterlegenen Kandidaten zu einer für Limbach wenig schmeichelhaften Einschätzung. Anfang März schien die Causa für Limbach ausgestanden, als das OVG den Beschwerden der Landesregierung gegen die beiden Beschlüsse statt gab. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein manipulatives Verfahren, so das OVG. Der unterlegene Bundesrichter wandte sich daraufhin an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit dem Argument, Limbach habe sich nicht an die Kriterien der Bestenauswahl gehalten, sondern die Mitbewerberin aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt. Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde teilweise statt und verpflichtete das OVG zu einer erneuten Prüfung. Sollten Umstände vorgetragen werden, die auf eine Vorfestlegung anhand sachfremder Kriterien hindeuteten, müsse das Gericht diese Umstände aufklären, so das BVerfG.

Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen eidesstattliche Versicherungen des unterlegenen Bundesrichters, die sich um drei Gespräche drehen. Im September 2022 habe sich der Justiziar der Unionsbundestagsfraktion an ihn gewandt mit der Bitte, die Bewerbung zurückzuziehen. Schwarz-Grün wünsche eine Frau an der Spitze des OVG, so der Justiziar. Die Wahl sei auf die Juristin aus dem Innenministerium gefallen. Der unterlegene Richter gab zudem an, im November 2022 mit Limbach und dem Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), gesprochen zu haben. Beide hätten ihn zum Rückzug aufgefordert. Limbach habe von einem „Vorsprung“ der Bewerberin gesprochen, obwohl deren Beurteilung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Das BVerfG sah in der eidesstattlichen Versicherung „Anhaltspunkte für ein politisch koordiniertes Vorgehen mit Kenntnis und unter Beteiligung des Ministers“. (faz.net, 14.11.2024)

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