September 20, 2024
Ortsschilder mit Charakter: Gemeinden setzen auf kulturelle Identität

Neue Ortsschilder: Flößer und Zwetschgen - Immer mehr Gemeinden geben sich Titel

In den letzten Jahren haben zahlreiche Gemeinden in Baden-Württemberg damit begonnen, sich zusätzliche Titel zu verleihen, um ihre kulturellen und historischen Besonderheiten hervorzuheben. Diese Entwicklung ist Teil eines Trends, der darauf abzielt, die Identität der Orte zu stärken und den Tourismus anzukurbeln. Aktuell führen bereits 120 Städte und Gemeinden im Südwesten Deutschlands solche Zusatzbezeichnungen, die oft auf lokale Traditionen oder historische Merkmale hinweisen.

Die Einführung dieser Titel wurde durch eine Änderung der Gemeindeordnung Ende 2020 erleichtert. Seitdem können Gemeinderäte mit einer Dreiviertelmehrheit entscheiden, ob ein Ort einen zusätzlichen Namen führen soll. Diese Entscheidung muss anschließend vom Innenministerium genehmigt werden. Vor dieser Regelung waren solche Titel vor allem Kurorten und Universitätsstädten vorbehalten, was die Möglichkeiten für andere Gemeinden stark einschränkte.

Beispiele für neue Titel

Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die Stadt Schiltach im Schwarzwald, die nun offiziell den Titel „Flößerstadt“ tragen darf. Bürgermeister Thomas Haas hebt hervor, dass das Flößerhandwerk in Schiltach eine lange Tradition hat, die bis zu 500 Jahre zurückreicht. Flöße wurden hier für den Holztransport hergestellt, und das Handwerk weckt auch heute noch großes Interesse. Mit dem neuen Titel erhofft sich die Gemeinde einen Anstieg des Tagestourismus.

Ein weiteres Beispiel ist die Stadt Bühl, die sich seit vergangenem Jahr „Zwetschgenstadt“ nennen darf. Der Titel wurde nach einem Bürgerbegehren eingeführt, das großen Zuspruch in der Bevölkerung fand. Die Zwetschge hat in der Region eine lange Geschichte, und die Stadtmarketingabteilung nutzt diesen Titel, um die lokale Identität zu fördern und den Tourismus zu steigern. Die Stadt hat bereits mit verschiedenen Werbeaktionen begonnen, darunter die Gestaltung eines eigenen Heißluftballons, der über der Region schwebt.

Tourismus und Identität

Die Frage, ob solche Titel tatsächlich zu einem Anstieg des Tourismus führen, ist laut Valentin Weislämle, einem Tourismusexperten von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, schwer zu beantworten. Er betont, dass viele Faktoren eine Rolle spielen, wenn es darum geht, Touristen anzuziehen. Der Name eines Ortes kann dabei zwar hilfreich sein, jedoch ist er nicht der einzige entscheidende Aspekt. Ein umfassendes touristisches Angebot ist ebenso wichtig. So müssen Gemeinden, die sich beispielsweise als Weinbaugemeinden präsentieren, auch entsprechende Möglichkeiten bieten, wie Weinverkostungen oder den Verkauf von regionalen Produkten.

Die Entwicklung dieser Titel ist nicht nur eine Marketingstrategie, sondern auch ein Mittel, um das Traditionsbewusstsein der Bürger zu stärken. In vielen Fällen sind die Einwohner stolz auf ihre Geschichte und die damit verbundenen Handwerke oder Produkte. Dies zeigt sich auch in der positiven Resonanz, die solche Titel in der Bevölkerung hervorrufen.

Wachstum der Zusatzbezeichnungen

Die Anzahl der Gemeinden, die sich solche Titel geben, wächst kontinuierlich. Im Jahr 2023 wurden 15 neue Zusatzbezeichnungen genehmigt, während es 2022 noch 19 waren. Diese Zahlen verdeutlichen, dass immer mehr Gemeinden die Vorteile erkennen, die mit einem solchen Titel verbunden sind. Die Möglichkeit, sich von anderen Orten abzuheben und die eigene Identität zu betonen, wird von vielen als wertvoll erachtet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einführung neuer Ortsschilder mit Zusatzbezeichnungen ein vielversprechender Trend ist, der sowohl das Bewusstsein für lokale Traditionen stärkt als auch das Potenzial hat, den Tourismus in den betroffenen Gemeinden zu fördern. Die Herausforderung besteht jedoch darin, sicherzustellen, dass die Gemeinden auch die notwendigen Angebote bereitstellen, um die Erwartungen der Besucher zu erfüllen und einen nachhaltigen Tourismus zu gewährleisten.

Die Entwicklungen in diesem Bereich werden weiterhin beobachtet, und es bleibt abzuwarten, wie sich die touristischen Ströme in den kommenden Jahren verändern werden.

Quellen: Zeit.de, Süddeutsche.de, Stern.de.

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