Die Diskussion um die Kanzlerkandidatur der SPD für die kommende Bundestagswahl hat eine überraschende Wendung genommen: Verteidigungsminister Boris Pistorius hat in einer Videobotschaft an die Partei- und Fraktionsspitze erklärt, dass er nicht für eine Kandidatur zur Verfügung steht. Wie die FAZ berichtet, bezeichnete Pistorius die Entscheidung als „souverän und ganz eigen“. Er betonte seine Unterstützung für Olaf Scholz als „hervorragenden Bundeskanzler“. Dieser Verzicht kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die SPD in Umfragen tief im Keller steht und die K-Frage die Partei zu spalten droht.
Eine aktuelle Infratest dimap-Umfrage, über die unter anderem die FAZ berichtet, zeigt, dass fast drei Viertel der Wahlberechtigten Olaf Scholz für keinen guten Kanzlerkandidaten halten. Im Gegensatz dazu genießt Pistorius deutlich höhere Zustimmung: 60 Prozent der Befragten sähen in ihm einen geeigneten Kandidaten. Diese Zahlen unterstreichen den Druck, unter dem Scholz und die SPD-Spitze stehen.
Die Diskussion um die Kanzlerkandidatur wird durch die anhaltend schlechten Umfragewerte der SPD befeuert. Wie die FAZ berichtet, liegt die Partei weit hinter der Union und der AfD. Der Demoskop Stefan Merz erklärte gegenüber der FAZ, dass noch nie ein Kanzler so lange so schlecht bewertet worden sei wie Scholz.
Währenddessen hat der Grünen-Wahlkampfleiter Andreas Audretsch die Uneinigkeit innerhalb der SPD kritisiert. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), wie in der FAZ zitiert, bezeichnete er die Lage als "SPD-Chaos" und bemängelte die widersprüchlichen Positionen innerhalb der Partei. Er stellte die Frage, wessen Linie innerhalb der SPD gelte und forderte die Sozialdemokraten auf, sich zum Wohle des Landes zu sortieren.
Auch innerhalb der SPD mehren sich die Stimmen, die eine schnelle Klärung der K-Frage fordern. So sprachen sich die Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner und Lars Castellucci für Scholz als Kandidaten aus. Stegner betonte gegenüber dem Spiegel (zitiert in der FAZ), dass die Partei ein eindeutiges Signal brauche. Gesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnete Scholz im ARD-Morgenmagazin als "klassischen Kandidaten" und "sehr guten Wahlkämpfer". Er drängte auf eine schnelle Bestätigung von Scholz als Kandidat. Juso-Chef Philipp Türmer äußerte hingegen im Politico-Podcast Zweifel an einer Unterstützung des Kanzlers und forderte kreative Lösungen, sollte Scholz nominiert werden.
Der Rückzug von Pistorius verschafft Scholz zwar etwas Luft, löst aber die grundlegenden Probleme der SPD nicht. Die Partei muss nun entscheiden, ob sie mit einem angeschlagenen Kandidaten in den Wahlkampf zieht oder nach einer Alternative sucht. Die Zeit drängt, denn die Bundestagswahl rückt näher.
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