September 17, 2024
Die Tücken der Durchschnittsrendite in der Finanzanalyse

Mit Durchschnittsrenditen zu rechnen ist trügerisch

Die Verwendung von Durchschnittsrenditen ist in der Finanzwelt weit verbreitet, jedoch birgt sie erhebliche Risiken und kann zu falschen Erwartungen führen. Der Begriff „Durchschnittsrendite“ wird oft als Maßstab für die zukünftige Wertentwicklung herangezogen, obwohl er in der Realität nicht immer aussagekräftig ist. Dies liegt insbesondere an der Tatsache, dass die Reihenfolge, in der Aufschwünge und Krisen auftreten, entscheidend für das eigene Vermögen ist.

Ein Beispiel für die Problematik der Durchschnittsrendite ist der MSCI World Index, der über einen Zeitraum von 25 Jahren eine durchschnittliche jährliche Rendite von etwa 8 Prozent erzielt hat. Diese Zahl mag auf den ersten Blick vielversprechend erscheinen, jedoch ist es wichtig zu beachten, dass es sich dabei um einen Vergangenheitswert handelt. Die Vergangenheit gibt keine Garantie für zukünftige Entwicklungen. Die Renditen in der Zukunft können stark variieren und von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, darunter Marktbedingungen, wirtschaftliche Entwicklungen und geopolitische Ereignisse.

Ein weiterer Aspekt, der oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass die arithmetische Durchschnittsrendite nicht die tatsächliche Wertentwicklung eines Portfolios widerspiegelt. Stattdessen sollte die geometrische Durchschnittsrendite betrachtet werden, die die Komplexität von Zinseszinsen und die Volatilität der Märkte berücksichtigt. Die geometrische Rendite bietet ein realistischeres Bild der tatsächlichen Rendite, die ein Anleger über einen bestimmten Zeitraum erzielen kann.

Die Unterscheidung zwischen arithmetischer und geometrischer Rendite wird besonders deutlich, wenn man sich die jährlichen Renditen eines hypothetischen Aktienfonds ansieht. Nehmen wir an, dieser Fonds erzielt folgende jährliche Renditen: +20%, +30%, -40%, -10%, +30%. Die arithmetische Durchschnittsrendite beträgt in diesem Fall 6%. Wenn wir jedoch die tatsächliche Entwicklung des Investments betrachten, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die geometrische Rendite, die die tatsächlichen Wertveränderungen berücksichtigt, liegt bei etwa 1,83%. Dies zeigt, dass die Verwendung des arithmetischen Durchschnitts zu einer erheblichen Überschätzung der Rendite führen kann.

Ein weiteres Beispiel verdeutlicht die Problematik: Angenommen, ein Anleger investiert 1.000 Euro in einen Fonds, der über fünf Jahre hinweg die oben genannten Renditen erzielt. Bei Anwendung der arithmetischen Durchschnittsrendite würde der Anleger am Ende 1.338,23 Euro haben. In Wirklichkeit beträgt der Endwert jedoch nur 1.095,12 Euro, was einen erheblichen Unterschied darstellt. Diese Diskrepanz verdeutlicht, dass die Durchschnittsrendite als alleinige Kennzahl irreführend sein kann.

Die Reihenfolge der Renditen spielt eine entscheidende Rolle. Wenn ein Anleger in einem Jahr mit einer hohen Rendite einsteigt und im nächsten Jahr mit einer negativen Rendite konfrontiert wird, kann dies erhebliche Auswirkungen auf das Endvermögen haben. Dies wird als Sequenzrisiko bezeichnet und ist besonders relevant für Anleger, die auf regelmäßige Einkünfte angewiesen sind, wie beispielsweise im Ruhestand. Ein Verlust in den frühen Jahren der Anlage kann schwerwiegende Folgen für die langfristige Rendite haben.

Zusätzlich zu den genannten Faktoren ist es wichtig, die Auswirkungen von Steuern und Gebühren auf die Rendite zu berücksichtigen. Diese Kosten können die tatsächliche Rendite erheblich schmälern und sollten daher in jede Renditeberechnung einfließen. Ein Anleger, der die durchschnittliche Rendite betrachtet, könnte die realen Kosten und deren Einfluss auf die Rendite übersehen.

Die Diskussion über Durchschnittsrenditen ist besonders relevant in Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit und Marktvolatilität. Anleger sollten sich bewusst sein, dass die Märkte nicht immer linear verlaufen und dass vergangene Leistungen keine Garantie für zukünftige Ergebnisse sind. Es ist ratsam, eine umfassendere Analyse der Anlagestrategie vorzunehmen und verschiedene Szenarien zu berücksichtigen, anstatt sich ausschließlich auf Durchschnittswerte zu verlassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Berechnung von Durchschnittsrenditen zwar eine gängige Praxis ist, sie jedoch auch trügerisch sein kann. Anleger sollten sich der Limitationen bewusst sein und eine differenzierte Betrachtung der Rendite durchführen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Die Berücksichtigung von Faktoren wie der Reihenfolge der Renditen, der geometrischen Rendite sowie der Auswirkungen von Steuern und Gebühren ist entscheidend, um ein realistisches Bild der potenziellen Renditen zu erhalten.

Die Finanzwelt ist komplex, und es ist wichtig, sich nicht von einfachen Zahlen blenden zu lassen. Eine gründliche Analyse und das Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen sind unerlässlich, um erfolgreich zu investieren und die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen.

Quellen: F.A.Z.

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