September 20, 2024
Die Widerstandskraft der Erinnerung: Madeleine Riffauds Geschichte im Comicformat

Comic-Kolumne: Rezension des Comics „Madeleine, die Widerständige“, Teil 2

Pünktlich zum hundertsten Geburtstag der Résistance-Kämpferin Madeleine Riffaud ist in Frankreich der Abschlussband einer Comic-Trilogie erschienen, die ihre Geschichte erzählt. Vor zwei Jahren erschien auf Deutsch der erste Band von Madeleine Riffauds Memoiren – als Comic, aufgeschrieben von Jean-David Morvan und gezeichnet von Dominique Bertail, unter dem Titel „Madeleine, die Widerständige“. Wie man den Namen der Beteiligten ablesen wird, geht es um französische Erlebnisse. Und um was für welche!

Riffaud ist eine der letzten heute noch lebenden Résistance-Kämpferinnen. Als junge Frau trat sie in Paris dem Widerstand gegen die deutschen Besatzer bei. Vor einem Monat wurde sie hundert, und dass der zweite Band jetzt so knapp danach auf Deutsch erscheint, ist also nur passend. Es war aber auch ein Hazardspiel mit der alten Dame, denn auch die französische Originalausgabe war nur ein Jahr früher erschienen – zum neunundneunzigsten Geburtstag. Und die Albenreihe war da ja noch nicht zu Ende. Wie sehr aber hat man sich gewünscht, dass Mme Riffaud deren Abschluss noch erlebt!

In Frankreich ist das tatsächlich geglückt. Pünktlich am 23. August, dem hundertsten Geburtstag der Widerstandskämpferin, ist dort kürzlich der dritte Band erschienen (wie die ersten beiden bei Dupuis). Mutmaßlich hatte Jean-David Morvan seine Gespräche mit Riffaud zwar schon lange vorher vollständig geführt. Aber das unschätzbare Privileg bei einem Comic (oder auch bei jeder anderen Erzählform) über den Zweiten Weltkrieg, noch Zeitzeugen als unmittelbare Mitarbeiter daran zu haben, ja in diesem Fall sogar die Protagonistin selbst, betrifft natürlich auch die Kontrolle von Bertails Zeichnungen durch Riffaud. Wie wirklichkeitsgetreu stellt er das dar, an was sie sich erinnert? Niemand außer ihr könnte es sagen. Das, was „Madeleine, die Widerständige“ herausragen lässt, ist also weniger die graphische oder erzählerische Qualität als die Authentizität.

Am Ende von Band 2, der den Untertitel „Das rote Federbett“ trägt (der Abschlussband wird dann „Nudeln mit Tomaten“ heißen; diese etwas geschmäcklerischen Titel verdanken sich Bildern, die Riffaud in den Gedichten geprägt hat, die sie seit den siebziger Jahren in Frankreich publiziert hat), ist das passiert, was schon im ersten Teil angekündigt wurde: Die damals noch nicht zwanzigjährige Madeleine wird kurz vor Beginn der Invasion von den Deutschen festgenommen und hat das Todesurteil zu erwarten. Die Folter bei den Verhören beginnt. Auf der letzten der 125 neuen Comicseiten wird es dunkel um die entstellte Madeleine. Ein Cliffhanger, der seine Wirkung tut, auch wenn wir alle wissen, dass sie überlebt hat.

Deshalb tut es nichts zur Sache, dieses Ende des zweiten Teils auszuplaudern – wir wussten ja darum. Was wir nicht wussten, ist, wie bei der Résistance gearbeitet wurde, und das ist das zentrale Handlungselement dieses Mittelstücks der Trilogie. Da sind komplexe Strukturen, die möglichst verhindern sollten, dass die einzelnen Kämpfer mehr als nur zwei oder drei Mitstreiter kennen, um im Falle einer Festnahme unter Zwang keine Namen preisgeben zu können. Oder die aus demselben Grund bewusst undurchschaubaren Hierarchien sowie die seltsame Tatsache, dass oftmals Personen an der Spitze des Widerstands saßen, denen man das kaum zugetraut hätte (etwa, weil sie körperlich beeinträchtigt waren). All das kannten wir auch aus anderen Résistance-Geschichten, vor allem dem grandiosen Spielfilm „Armee im Schatten“ von Jean-Pierre Melville aus dem Jahr 1969, doch in „Madeleine, die Widerständige“, wird das noch auf die Spitze getrieben, weil sich hier ein ganzes Panorama entfaltet, wo bei Melvilles Film der Fokus auf einer Handvoll Kämpfer liegt.

Die Comic-Trilogie, die sich mit der Widerstandsbewegung im Zweiten Weltkrieg auseinandersetzt, bietet nicht nur Einblicke in die persönlichen Erlebnisse von Madeleine Riffaud, sondern auch in die komplexen Strukturen und Herausforderungen, mit denen die Résistance konfrontiert war. Morvan hat weit über Riffauds Erzählungen hinaus Recherchen angestellt und so ein gültiges Bild der Résistance verfasst. Die zeichnerische Umsetzung von Dominique Bertail trägt zur Authentizität des Werkes bei, auch wenn die graphische Qualität nicht immer auf dem höchsten Niveau ist. Dennoch ist die Intensität der Erzählung und die persönliche Verbindung zur Protagonistin von großer Bedeutung.

Die Veröffentlichung des zweiten Teils „Das rote Federbett“ und die bevorstehende Veröffentlichung des dritten Teils „Nudeln mit Tomaten“ sind nicht nur ein literarisches Ereignis, sondern auch eine Hommage an die Erinnerungen und Erfahrungen einer der letzten lebenden Widerstandskämpferinnen. Die Comic-Trilogie ist ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur und zeigt, wie Geschichten von Mut und Widerstand auch in der heutigen Zeit relevant sind.

Die Comic-Kolumne von Andreas Platthaus in der F.A.Z. hebt hervor, dass die Erzählweise und die bildliche Darstellung in „Madeleine, die Widerständige“ eine besondere Dringlichkeit und Intensität besitzen. Die Kombination aus persönlichen Erinnerungen, historischen Fakten und künstlerischer Darstellung schafft ein eindrucksvolles Werk, das sowohl informativ als auch emotional berührend ist.

Insgesamt ist „Madeleine, die Widerständige“ ein bemerkenswerter Beitrag zur Comic-Literatur, der nicht nur die Geschichte einer mutigen Frau erzählt, sondern auch die Herausforderungen und den Mut der Résistance im Zweiten Weltkrieg beleuchtet. Die Veröffentlichung des zweiten Teils und die bevorstehende Veröffentlichung des dritten Teils sind ein Anlass, sich mit der Geschichte des Widerstands auseinanderzusetzen und die Lehren, die daraus gezogen werden können, zu reflektieren.

Die Comic-Trilogie ist somit nicht nur ein historisches Dokument, sondern auch eine Quelle der Inspiration für zukünftige Generationen, die sich mit den Themen Freiheit, Widerstand und Gerechtigkeit auseinandersetzen.

Quellen: F.A.Z.

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