19.10.2024
Archäologische Entdeckungen auf dem Galgenberg in Quedlinburg erweitern unser Wissen über historische Bestattungspraktiken

Archäologie: Bestattung im Sarg auf Richtstätte in Quedlinburg entdeckt

Im Landkreis Harz, genauer gesagt auf dem ehemaligen Galgenberg in Quedlinburg, haben Archäologen eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: eine Körperbestattung in einem hölzernen Sarg. Diese Funde werfen neues Licht auf die Praktiken der Bestattung und Hinrichtung im Mittelalter und der frühen Neuzeit.

Die Archäologin Marita Genesis vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Halle erklärte, dass die Bestattung, die im Bereich einer Richtstätte gefunden wurde, eher auf eine Selbsttötung als auf eine Hinrichtung hindeutet. Das im Sarg liegende Skelett, das auf dem Rücken positioniert war und dessen Hände im Bauchbereich gefaltet waren, war in einem bemerkenswert guten Zustand erhalten. Zudem fanden die Forscher Fragmente einer Rosenkranzkette, was darauf hindeutet, dass dem Verstorbenen möglicherweise eine solche mit ins Grab gegeben wurde. In der damaligen Zeit war es für Menschen, die den Freitod wählten, nicht gestattet, auf einem regulären Friedhof beerdigt zu werden.

Ein weiterer bemerkenswerter Fund auf der Richtstätte war das Grab eines Mannes, dessen Leichnam auf dem Rücken lag und dessen Brustbereich mit großen Steinen beschwert war. Dies könnte auf ein sogenanntes „Wiedergängergrab“ hindeuten. Aus Angst vor der Rückkehr des Toten wurde sein Leichnam beschwert, um ihn im Grab zu binden.

Die archäologischen Untersuchungen zeigen, dass die Hinrichtungsstätte regelmäßig vom Scharfrichter und seinen Gesellen beräumt wurde. In Knochengruben fanden sich die Überreste von Verurteilten, deren Körperteile durch Verwesungsprozesse abgetrennt worden waren. Diese Skelettreste waren in mehreren Schichten wahllos nebeneinander und übereinander gestapelt.

Neben menschlichen Überresten entdeckten die Forscher auch Kleidungsreste wie Knöpfe und Schnallen sowie Keramikfragmente. Diese Funde deuten darauf hin, dass nicht alle Verurteilten in einem Büßerhemd zur Richtstätte geführt wurden, sondern teilweise auch in ihrer Alltagskleidung.

Die Ergebnisse dieser Ausgrabungen haben auch Auswirkungen auf die Erforschung der Rechtsgeschichte. Marita Genesis betonte, dass die Erforschung der Rechtsgeschichte in großen Städten traditionell stark auf schriftlichen Quellen basiert. Die archäologischen Funde an diesen Richtplätzen, von denen es noch viele unberührte im Boden gibt, könnten das Bild der Urteilsvollstreckungen erheblich korrigieren. Insbesondere die tatsächlich angewandten Todesstrafen sowie die Daten zur Alters- und Geschlechterdifferenzierung bieten neue Einblicke in die Realität der Urteilsvollstreckungen im Mittelalter und der Neuzeit.

Historisch ist der Galgen auf dem ehemaligen Galgenberg am heutigen Lehofsweg seit 1662 nachweisbar. Die Galgenanlage, die aus drei Pfosten bestand, konnte eine Länge von vier bis sieben Metern erreichen, sodass mehrere Verurteilte gleichzeitig gehängt werden konnten. Die Todesstrafe wurde in Quedlinburg bis 1809 öffentlich vollzogen.

Die Ausgrabungen auf dem Galgenberg sind Teil eines größeren Projekts zur Erforschung von Richtstätten in Sachsen-Anhalt. Die Ergebnisse dieser archäologischen Arbeiten werden nicht nur das Verständnis der historischen Bestattungspraktiken erweitern, sondern auch zur Aufklärung der gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Zeit beitragen.

Die Entdeckung auf dem Galgenberg in Quedlinburg ist ein bedeutender Beitrag zur Archäologie und zur Erforschung der Rechtsgeschichte, die durch die Funde an diesem historischen Ort neue Dimensionen erhält.

Quellen: Zeit Online, Volksstimme

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