3.12.2024
ARD: Ausbau Digitaler Audioangebote und Strategische Anpassung des Linearen Radios

ARD baut digitale Angebote aus und reduziert lineares Radio

Die ARD verstärkt ihre Online-Aktivitäten und baut ihre digitale Präsenz deutlich aus, während die lineare Verbreitung reduziert wird. Ende November beschlossen die ARD-Intendanten den Ausbau gemeinsamer Hörfunkangebote, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) am 3. Dezember 2024 berichtete. Ein Beispiel dafür ist das gemeinsame Abendprogramm für die Popwellen, das ab Januar 2025 vom SWR3 produziert werden soll.

Bestehende Kooperationen, besonders im Kulturbereich, werden intensiviert. So arbeiten die Klassikwellen abends verstärkt zusammen, es gibt einen gemeinsamen Opernabend und zwei gemeinsame Konzertabende pro Woche. Das gemeinsame Angebot „ARD Konzert“ der Kulturprogramme montags und mittwochs von 20 bis 22 Uhr illustriert diese Strategie. Die Fokussierung auf die Abendstunden ist strategisch begründet: Nach 20 Uhr erreichen die Kulturwellen laut Medienanalyse Audio nur noch etwa 250.000 Hörer, was weniger als fünf Prozent der regelmäßigen ARD-Radiohörer entspricht. Die durchschnittliche Tagesreichweite der öffentlich-rechtlichen Radiosender liegt bei 49 Prozent.

Gleichzeitig investiert die ARD erheblich in digitale Audioangebote, vor allem in Podcasts. ARD Kultur erweitert sein Podcast-Angebot kontinuierlich und bietet neben kuratierten Videos mittlerweile 14 Eigenproduktionen. Auch der Bayerische Rundfunk (BR) setzt auf dieses Format und veröffentlicht regelmäßig neue Folgen seines erfolgreichen True-Crime-Podcasts „Unter Verdacht“ mit bereits über 65 Millionen Abrufen. Die ARD Audiothek, deren App bereits 4,5 Millionen Mal heruntergeladen wurde, bietet inzwischen über 100.000 Beiträge, sowohl aus den regionalen Hörfunkprogrammen als auch exklusive Online-Inhalte.

Podcasts werden immer beliebter. Laut Online-Audio-Monitor 2024 stieg der Anteil der (fast) täglichen Podcast-Nutzer in Deutschland im Vergleich zu 2023 um fünf Prozentpunkte auf elf Prozent. Die Hörerzahl wuchs um 300.000 auf 20,8 Millionen. Insgesamt nutzen 29,5 Prozent der Befragten zumindest gelegentlich Podcasts oder Radiosendungen zum Nachhören.

Mit dem Ausbau der senderübergreifenden Audioangebote seit dem Start der Audiothek im Jahr 2017 reagiert die ARD auf die veränderten Nutzungsgewohnheiten. Wolfgang Gushurst, Hauptabteilungsleiter Kultur und Wissen im SWR, erklärte gegenüber der F.A.Z., dass die zeitunabhängige Nutzung dem Hörerinteresse entspreche und ein neues, vielfältigeres Publikum erreiche. So könnten auch Menschen erreicht werden, die keine Kulturwelle im Radio empfangen oder überhaupt kein Radio mehr hören.

Kritik an dieser Entwicklung äußert Marco Maier, Vorsitzender des Fachbereichs Radio im Privatsenderverband VAUNET. Er kritisiert die Menge der beitragsfinanzierten Audio-Episoden, die mit privaten Online-Angeboten konkurrieren. Eingesparte Mittel durch Programmreduzierungen sollten nicht in den weiteren Ausbau der Online-Angebote fließen, fordert er. Außerdem bemängelt er die fehlende Regelung zur Vermarktung von ARD-Podcasts durch kommerzielle Tochtergesellschaften auf externen Plattformen.

Die ARD betont, dass durch Kooperationen keine Mittel eingespart, sondern Ressourcen für den digitalen Bereich geschaffen werden sollen. Anke Mai, Vorsitzende der Audioprogrammkonferenz der ARD, erklärte, es gebe keinen strukturellen Zusammenhang zwischen einer möglichen Veränderung im Wortanteil und der jüngsten ARD-Reform. Der neue Medienstaatsvertrag sieht keine Begrenzung der Online-Angebote vor, sodass die Sender ihre Mediatheken beliebig erweitern können. Konkrete Zahlen zur geplanten Reduzierung der Radioangebote von 70 auf 53 Programme gibt es bisher nicht. Die Entscheidung, welche Sender weiterhin im linearen Programm bleiben, liegt bei den regionalen Mediengesetzen.

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) kritisiert das Fehlen verlässlicher Zahlen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Kooperationen und erwartet, dass die Einsparungs- und Wirtschaftlichkeitseffekte dokumentiert werden. Ob eine etwaige Kostenreduzierung künftig transparent ausgewiesen wird, ist offen. Radio ist deutlich günstiger als Fernsehen: Die Sendeminute im ARD-Hörfunk kostet durchschnittlich 55 Euro, während die Erstsendeminute im Ersten 5796 Euro kostet.

Marco Maier kritisiert außerdem, dass die Reduzierung der Radiokanäle nicht ausreiche, um die Schieflage im dualen Hörfunksystem zu korrigieren. Die Möglichkeit, Kooperationsprogramme in der ARD nur als halbes Programm anzurechnen, trage dazu bei. Er erwartet zahlreiche Kooperationen zwischen den Anstalten und kritisiert die fehlenden klaren Vorgaben zur Reduzierung seitens der privaten Anbieter.

Die ARD/ZDF-Medienstudie 2024 zeigt einen Rückgang der linearen Mediennutzung, während die non-lineare Nutzung stagniert. Insgesamt sank die tägliche Mediennutzung um 28 Minuten auf 384 Minuten. Besonders stark betroffen ist das lineare Radio mit einem Rückgang von 25 Minuten auf 117 Minuten täglicher Nutzung. Auch das lineare Fernsehen verlor an Nutzungszeit, während Streamingdienste, Mediatheken und Online-Videoplattformen stagnierten oder leicht wuchsen. Die Studie verdeutlicht den anhaltenden Wandel in der Medienlandschaft und die Notwendigkeit für die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre digitale Präsenz weiter auszubauen.

Quellen:

  • https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/medienstaatsvertrag-beguenstigt-online-expansion-der-ard-110148793.html
  • https://www.radioszene.de/191070/ard-zdf-medienstudie-2024.html
  • https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-3946.html
  • https://www.ard.de/die-ard/presse-und-kontakt/ard-pressemeldungen/2024/09-17-ARD-und-ZDF-modernisieren-Mediennutzungsforschung-100/
  • https://www1.wdr.de/nachrichten/zukunft-von-ard-und-zdf-laenderchefs-wollen-weniger-tv-und-radiosender-100.html
  • https://www.digitalfernsehen.de/news/medien-news/maerkte/deutsche-schauen-immer-weniger-lineares-fernsehen-1121594/
  • https://www.markenartikel-magazin.de/_rubric/detail.php?rubric=marke-marketing&nr=80778
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