19.10.2024
Bildung für Afghaninnen im Exil eine neue Perspektive bieten

Wie eine Onlineuniversität Afghaninnen ein Studium ermöglichen will

Die Situation für Frauen in Afghanistan hat sich seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 dramatisch verschlechtert. Die Taliban haben nicht nur Schulen für Mädchen geschlossen, sondern auch Frauen den Zugang zu Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen verwehrt. Dies hat dazu geführt, dass viele Afghaninnen, die eine akademische Ausbildung anstreben, vor einer ungewissen Zukunft stehen. In diesem Kontext haben Exil-Afghanen in Deutschland die Initiative ergriffen, eine Onlineuniversität zu gründen, um Afghaninnen und Afghanen im Exil sowie in Afghanistan Bildung zu ermöglichen.

Die Idee einer Onlineuniversität wurde vom World University Service (WUS) ins Leben gerufen, einer Organisation, die sich weltweit für das Recht auf Bildung einsetzt. Dr. Kambiz Ghawami, der Vorsitzende des WUS in Deutschland, erläutert, dass das Projekt darauf abzielt, Afghaninnen und Afghanen eine akademische Ausbildung zu bieten, die es ihnen ermöglicht, in ihrer Heimat oder im Exil eine Perspektive zu finden. „Wir wollen verhindern, dass junge Menschen gezwungen sind, als Taxifahrer oder Pizzabäcker zu arbeiten“, so Ghawami.

Die geplante Onlineuniversität wird Studiengänge in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Informatik anbieten. Diese Fächer sind besonders wichtig, da sie unter dem Taliban-Regime stark eingeschränkt wurden. Die Universität wird in Zusammenarbeit mit Partnerhochschulen arbeiten, um den Studierenden die Möglichkeit zu bieten, Doppelabschlüsse zu erwerben. Dies könnte den Absolventinnen und Absolventen helfen, auf dem internationalen Arbeitsmarkt bessere Chancen zu haben.

Ein zentrales Anliegen der Onlineuniversität ist es, den Zugang zu Bildung für Frauen zu fördern. In Afghanistan haben Frauen unter dem Taliban-Regime kaum Möglichkeiten, sich zu bilden oder zu arbeiten. Das neue „Tugendgesetz“ der Taliban, das Frauen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens einschränkt, hat die Situation weiter verschärft. Ghawami betont, dass die Onlineuniversität ein Lichtblick für viele Frauen sein könnte, die sich trotz der widrigen Umstände weiterbilden möchten.

Die technischen Voraussetzungen für die Onlineuniversität sind bereits gegeben, da das Internet in vielen größeren Städten Afghanistans verfügbar ist. Dennoch bleibt abzuwarten, wie die Taliban auf dieses Bildungsangebot reagieren werden. Ghawami ist optimistisch, dass die Universität funktionieren kann, solange das Internet nicht zensiert wird. „Wir arbeiten mit Experten zusammen, die wissen, wie man Zensur umgehen kann“, erklärt er.

Die Gründung der Onlineuniversität steht jedoch noch vor einigen Herausforderungen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen geklärt werden, ebenso wie die Anerkennung der Abschlüsse. Zudem ist die Finanzierung des Projekts noch nicht gesichert. Ghawami und sein Team sind jedoch zuversichtlich, dass sie Unterstützung von internationalen Organisationen und Regierungen erhalten können. Das Europäische Parlament hat bereits eine finanzielle Unterstützung für das Projekt empfohlen, und Gespräche mit verschiedenen Geldgebern sind im Gange.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts ist die Einbindung afghanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im Exil leben. Diese sollen als Lehrkräfte an der Onlineuniversität tätig werden und somit ihre Expertise in die Ausbildung der Studierenden einbringen. Ghawami betont, dass es wichtig ist, die afghanische Perspektive in die Bildungsangebote einzubeziehen, um eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu gewährleisten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die geplante Onlineuniversität für Afghaninnen und Afghanen eine wichtige Initiative darstellt, um den Zugang zu Bildung trotz der restriktiven Maßnahmen der Taliban zu ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Projekt entwickeln wird und ob es den Studierenden gelingen wird, die Herausforderungen zu meistern, die mit der Verfolgung ihrer Bildungsträume verbunden sind.

Die Onlineuniversität könnte nicht nur dazu beitragen, die Bildungschancen für Afghaninnen zu verbessern, sondern auch langfristig einen Beitrag zum Wiederaufbau eines freien und unabhängigen Afghanistan leisten, sobald die Taliban-Herrschaft endet.

Die Initiative wird von vielen Unterstützern aus der internationalen Gemeinschaft begrüßt, die die Bedeutung von Bildung für die Entwicklung einer stabilen und demokratischen Gesellschaft erkennen. Bildung ist ein grundlegendes Menschenrecht, und die Onlineuniversität könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein, um dieses Recht für viele Afghaninnen und Afghanen zu verwirklichen.

In Anbetracht der aktuellen Lage in Afghanistan ist es unerlässlich, dass die internationale Gemeinschaft weiterhin Druck auf die Taliban ausübt, um sicherzustellen, dass die Rechte von Frauen und Mädchen respektiert werden. Die Gründung der Onlineuniversität ist ein Zeichen der Hoffnung und des Widerstands gegen die Unterdrückung, die viele Afghaninnen erleben.

Die nächsten Schritte für die Onlineuniversität werden entscheidend sein, um sicherzustellen, dass die Vision einer zugänglichen und qualitativ hochwertigen Bildung für alle Afghaninnen und Afghanen Wirklichkeit wird.

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