19.10.2024
Cannabiswende in Deutschland Zwischen Liberalisierung und Risiken
In Deutschland steht die Drogenpolitik vor einer möglichen historischen Wende: Die geplante Teil-Legalisierung von Cannabis hat in den vergangenen Wochen und Monaten eine breite Debatte entfacht. Auf der einen Seite stehen die Befürworter einer Liberalisierung, die auf die Vorteile einer regulierten Abgabe hinweisen. Auf der anderen Seite warnt eine Reihe von Experten und Politikern vor den potentiellen Risiken. Im Zentrum der Diskussion steht der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der eine kontrollierte Freigabe von Cannabis zum privaten Gebrauch für Erwachsene vorsieht. Laut diesem Entwurf soll es Erwachsenen künftig erlaubt sein, bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum zu besitzen. Auch der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen sowie die Weitergabe in nichtkommerziellen Anbauvereinigungen sollen ermöglicht werden. Allerdings sind strenge Vorschriften geplant, um vor allem Kinder und Jugendliche zu schützen, darunter ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot sowie Konsumverbotszonen in der Nähe von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Die Argumente für eine solche Reform sind vielfältig. Befürworter weisen auf die gescheiterte Repressionspolitik der vergangenen Jahrzehnte hin, die den Konsum von Cannabis nicht signifikant reduzieren konnte. Stattdessen habe die Kriminalisierung von Konsumenten zu sozialen und beruflichen Nachteilen sowie einer Stigmatisierung geführt, ohne dass dadurch die Verfügbarkeit der Droge wesentlich eingeschränkt worden sei. Die kontrollierte Abgabe könnte laut diesen Stimmen zu einem verbesserten Gesundheitsschutz, einer effektiveren Prävention und einer Einschränkung des Schwarzmarktes beitragen. Zudem könnten Steuereinnahmen generiert werden, die in Aufklärungs- und Präventionsprogramme fließen. Gleichzeitig äußern Kritiker ernste Bedenken. Medizinverbände warnen vor den gesundheitlichen Risiken, insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene, deren Gehirnentwicklung durch Cannabiskonsum beeinträchtigt werden könnte. Innenpolitiker und Polizeigewerkschaften befürchten, dass die Legalisierung zu einer Verharmlosung der Droge führen und den illegalen Handel sogar noch stärken könnte. Auch die Frage der Verkehrssicherheit wird heiß diskutiert, da bislang keine eindeutigen wissenschaftlichen Standards für Grenzwerte von THC im Straßenverkehr existieren. Die politische Debatte wird durch eine Reihe von offenen Briefen und Stellungnahmen geprägt. Etwa 30 Forscher und Fachleute fordern in einem offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, der Teil-Legalisierung zuzustimmen. Sie argumentieren, dass eine ausgewogene Teil-Legalisierung, wie sie von der Koalition geplant ist, keine Erhöhung des Konsums zur Folge haben werde. Auch die Befürchtungen über eine Stärkung des Schwarzmarktes seien nicht haltbar. Die Unterzeichner betonen, dass die strafrechtliche Verfolgung von Cannabiskonsumenten weder dem Einzelnen noch der Gesellschaft diene und dass eine Neuregelung überfällig sei. Die politische Umsetzung des Cannabisgesetzes ist indes komplex. Die für Anfang 2024 geplante Reform wurde mehrmals vertagt und könnte nun frühestens im April 2024 in Kraft treten. Der Prozess ist von zahlreichen Unsicherheiten und Debatten über Details der Umsetzung gekennzeichnet. Zudem bleibt abzuwarten, wie die Länder, die im Bundesrat vertreten sind, auf die geplante Reform reagieren und ob sie möglicherweise den Vermittlungsausschuss anrufen werden. Insgesamt steht Deutschland mit der Diskussion über die Teil-Legalisierung von Cannabis vor einer gesellschaftlichen und politischen Herausforderung. Während die Debatte weiterhin andauert, werden die Auswirkungen einer solchen Reform auf die öffentliche Gesundheit, den Schwarzmarkt und die soziale Gerechtigkeit erst in der Zukunft vollständig sichtbar werden.
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