Der türkische Prediger Fethullah Gülen ist im Alter von 83 Jahren in den USA gestorben. Dies bestätigte die Website Herkul, die Gülens Predigten veröffentlicht, am Montag auf X. Auch Gülens Neffe, Ebuseleme Gülen, bestätigte den Tod seines Onkels auf X. Zuvor hatten bereits verschiedene Medien über Gülens Tod berichtet. Gülen, der seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania lebte, war einflussreicher islamischer Gelehrter und Begründer der Hizmet-Bewegung.
Die türkische Regierung macht Gülens Bewegung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich und stuft sie als Terrororganisation ein. Für viele in der Türkei, darunter auch für Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, galt Gülen als Staatsfeind Nummer eins. Erdoğan forderte wiederholt die Auslieferung des Predigers aus den USA. Gülen selbst bestritt stets jegliche Verwicklung in den Putschversuch und behauptete, Erdoğan selbst könnte ihn inszeniert haben. Bei dem Versuch von Teilen des Militärs, die Macht zu ergreifen, wurden rund 250 Menschen getötet.
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, bezeichnete Erdoğan Gülens Netzwerk kurz nach dem Putschversuch als "Verräter" und "Krebsgeschwür" und schwor, es auszurotten. Die Hizmet-Bewegung wurde daraufhin massiv verfolgt. Hunderte mit ihr verbundene Schulen, Unternehmen, Medien und Vereine wurden geschlossen und Vermögenswerte beschlagnahmt. Mindestens 77.000 Menschen wurden festgenommen und 150.000 Staatsbedienstete, darunter Lehrer, Richter und Soldaten, suspendiert. Gülen selbst verurteilte den Putschversuch auf das Schärfste. "Für jemanden, der in den vergangenen fünf Jahrzehnten unter mehreren Militärputschen gelitten hat, ist es eine besondere Beleidigung, beschuldigt zu werden, in irgendeiner Verbindung zu einem solchen Versuch zu stehen", erklärte er.
Gülen und Erdoğan waren lange Zeit Weggefährten und teilten die Vision einer islamisch geprägten Gesellschaft. Doch 2013 kam es zum Bruch, als Erdoğan begann, seine Partei, Justiz und Armee von Menschen zu "säubern", die er nicht als loyal empfand. Darunter waren auch viele Gülen-Anhänger. Erdoğan ließ gegen die Bewegung wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermitteln und ein Gesetz verabschieden, das ihre Schulen verbieten sollte - eine offene Kriegserklärung. Die Anhänger von Gülens Bewegung streben nach eigenen Angaben die Verbreitung eines gemäßigten Islams an und fördern ein westliches Bildungssystem, freie Märkte und Kommunikation zwischen den Religionen.
Gülen baute in den USA ein einflussreiches Netzwerk aus mehr als 1500 Schulen weltweit auf und verbreitete seine Predigten per Videostream in die ganze Welt. Die Schulen dienen dazu, Gülens Einfluss auch auf kommende Generationen auszudehnen. Auch in Deutschland soll es etwa 20 Gülen-Schulen und circa 300 Nachhilfe-Institute geben.
Fethullah Gülen wurde 1941 in Ostanatolien als Sohn eines Dorfimams geboren. Er trat für eine Neuinterpretation des Korans ein und reiste ab den 60er-Jahren als Wanderprediger durch die Türkei. Er rief zu Dialog und Frieden auf. Seine Predigten, bei denen er manchmal minutenlang in Tränen ausbrach, waren sein Markenzeichen.
Quellen:
