19.10.2024
Die stille Gefahr des Sprachensterbens

Alle zwei Wochen stirbt eine Sprache aus

Rund 7000 Sprachen werden heute weltweit gesprochen. Doch fast die Hälfte von ihnen ist vom Aussterben bedroht. Das Phänomen des Sprachensterbens hat vielfältige Ursachen, die von Kriegen und Unterdrückung bis hin zu Vermischung und Globalisierung reichen. Fakt ist: Etwa alle zwei Wochen verschwindet eine Sprache – und zwar für immer.

Nach Einschätzung der UNESCO sind 2500 Sprachen bedroht. Der Atlas der bedrohten Sprachen listet sie nach Namen, Bedrohungsgrad und Region auf. Die Hälfte der weltweit rund 7000 gesprochenen Sprachen ist vom Verschwinden bedroht. Ein Großteil dieser Sprachen wird von weniger als 10.000 Menschen gesprochen. Die Vereinten Nationen haben deshalb, auf Anregung der UNESCO, den 21. Februar zum Internationalen Tag der Muttersprache erklärt. Dieser Tag soll auf die enorme Bedeutung von kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit aufmerksam machen.

Historisch betrachtet nimmt der Tag der Muttersprache Bezug auf den 21. Februar 1952, als in Dhaka, der Hauptstadt des damaligen Ost-Pakistan, eine Demonstration gegen den Beschluss der Regierung stattfand, Urdu zur Amtssprache zu erheben. Diese Entscheidung führte zu einer massiven Stigmatisierung der bengalischen Sprache, die von der Mehrheit der Bevölkerung gesprochen wurde. Der Verlust einer Sprache ist nicht nur ein Verlust von Wörtern, sondern auch von Identität und Kultur.

Sprache stiftet Identität und Gemeinschaft. Sie ist ein Ausdruck kultureller Vielfalt und trägt zur Einheit und zum Zusammenhalt einer Gesellschaft bei. Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen definiert eine Minderheitensprache als eine von einer Minderheit in einem Staatsgebiet gebrauchte Sprache, die sich von der Amtssprache unterscheidet. In Deutschland fallen unter diese Definition Sprachen wie Sorbisch, Nordfriesisch, Saterfriesisch, Dänisch und Romani. Diese Sprachen haben in den Regionen, in denen sie gesprochen werden, eine tragende kulturelle und identitätsstiftende Bedeutung.

Die Gründe für das Sprachensterben sind vielfältig. Kriege, Vertreibung und Stigmatisierung sind ebenso Ursachen wie Migration und die Vermischung von Sprachen. In vielen Ländern werden immer weniger Bücher und Lehrbücher in lokalen Sprachen und Dialekten gedruckt. Dies bedroht die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und bewirkt die soziale Isolation kleinerer Sprachgemeinschaften. Jede Sprachvariante repräsentiert eine eigene Sicht der Welt, die verloren geht, wenn die Sprache verschwindet.

Nach Schätzungen der UNESCO sind etwa 1500 Sprachen akut vom Aussterben bedroht, da Kinder sie nicht mehr als ihre Muttersprache erlernen. In Deutschland sind 13 Regional- und Minderheitensprachen als gefährdet gelistet. Dazu gehören Nordfriesisch und Saterfriesisch, die als ernsthaft gefährdet gelten. Auch Sorbisch, Bairisch oder Alemannisch werden von immer weniger Menschen gesprochen. Das Jütländische, das an der deutsch-dänischen Grenze gesprochen wird, sowie die Sprache Romani der Sinti und Roma zählen ebenfalls zu den gefährdeten Minderheitensprachen.

Die UNESCO hat in ihrem Atlas der bedrohten Sprachen die Sprachen nach Namen, Bedrohungsgrad und Region aufgelistet. Die Daten zeigen, dass 572 Sprachen in Nord- und Südamerika, Südostasien, Ozeanien und Afrika akut bedroht sind. Besonders betroffen sind Sprachen, die von weniger als 10.000 Menschen gesprochen werden. Der Verlust einer Sprache bedeutet nicht nur den Verlust von Wörtern, sondern auch den Verlust von Geschichten, Traditionen und kulturellem Wissen.

Der Internationale Tag der Muttersprache wird seit 2000 von der UNESCO gefeiert und soll die sprachliche und kulturelle Vielfalt sowie die Mehrsprachigkeit fördern. Sprache wird nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern auch als kulturelles Erbe und Ausdruck kultureller Identität betrachtet. In vielen Regionen der Welt gibt es Initiativen, die sich für den Erhalt und die Förderung bedrohter Sprachen einsetzen, um deren kulturellen Reichtum zu bewahren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verschwinden von Sprachen eine ernsthafte Bedrohung für die kulturelle Vielfalt darstellt. Es ist wichtig, das Bewusstsein für die Bedeutung von Sprachen zu schärfen und Maßnahmen zu ergreifen, um gefährdete Sprachen zu erhalten. Der Verlust einer Sprache ist nicht nur ein Verlust für die Sprecher, sondern für die gesamte Menschheit, da jede Sprache einzigartige Perspektiven und Wissen über die Welt vermittelt.

Quellen: FAZ, Welt der Wunder, Badische Zeitung, UEPO, National Geographic.

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